Alles medizinisch Mögliche für alle ist nicht finanzierbar

Jedes Jahr steigen die Ausgaben der gesetzlichen KrankenversicherungSo glänzend die Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) derzeit scheint – zwei parallele Entwicklungen machen ihre Finanzierung für kommende Generationen schon bald zur Zumutung: die demografische Entwicklung und der medizinisch-technische Fortschritt. Wird weiterhin alles medizinisch Mögliche für alle finanziert, könnten die Beitragssätze bis 2050 womöglich auf 30 Prozent klettern.

Die bisherigen Reformvorschläge der Politik taugen kaum als Ausweg aus dem Dilemma, dass dann fast doppelt so viele Gesundheitsausgaben von nur noch vier Fünfteln der heutigen Beitragszahler gestemmt werden müssen. Weder die bislang übliche Mischung aus Beitragserhöhungen und Leistungssenkungen noch eine Bürgerversicherung sind hilfreiche Alternativen.

Wer die Privatversicherten in die GKV einbeziehen will, wie es bei der Bürgerversicherung der Fall wäre, verkennt, dass ein Großteil der Privatversicherten Beamte sind. Die sind im Schnitt knapp 10 Jahre älter als GKV-Versicherte und haben damit ein höheres Krankheitsrisiko. Und auch die Gruppe der Selbstständigen würde die Finanzlage der GKV eher noch verschärfen: Verfassungskonform wäre die Bürgerversicherung nämlich nur, wenn sie die Bestände der heutigen Privaten Krankenversicherung unangetastet ließe. Damit wäre aber kurzfristig nicht nur nichts gewonnen. Langfristig würde damit die Quersubventionierung der GKV durch die Privatpatienten fehlen. Das Ergebnis: Das GKV-System wird noch teurer.

Was ist also zu tun? Auf der Einnahmenseite wäre es sinnvoll Lohn und Gesundheit voneinander zu entkoppeln. Mehr Gehalt macht nicht kranker. Deshalb brauchen wir eine Gesundheitsprämie wie sie in der Schweiz oder  in Holland als Kopfpauschale bereits existiert. Uns muss jedoch klar sein, dass das Nachhaltigkeitsproblem damit nicht gelöst wird.

Das eigentliche Problem liegt auf der Ausgabenseite. Hier haben wir im Kern ein Steuerungsproblem. Die GKV kann auf Dauer nicht allen alles medizinisch Machbare finanzieren – wir müssen rationieren. Im Bürgerpauschalenmodell zahlt jeder eine Pauschale für die Basisversorgung. Darüber hinausgehende Leistungen müssten über Zusatzversicherungen oder Eigenbeiträge abgedeckt werden. Dadurch entstünde eine 20/ 30/ 40-Klassenmedizin mit egalitärer Basisversorgung, welche durch die Basispauschale finanziert wird. Wer mehr Gesundheitsleistung als den Basistarif möchte, kann und darf sich mehr leisten. Über die Bürgerpauschale und Steuern zur Subventionierung Bedürftiger, sichern die Reichen dennoch den sozialen Ausgleich.

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Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen ist Direktor des Forschungszentrums Generationenverträge an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Botschafter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.

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