Alimentierung statt Arbeit: Wo Martin Schulz falsch liegt
Der designierte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz will die Agenda 2010 ein weiteres Stück zurückdrehen – und gefährdet damit die Erfolge auf dem Arbeitsmarkt. Er verspricht, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Das Gegenteil davon könnte geschehen.
Verspricht mehr Hilfe für Arbeitslose: Martin Schulz // Foto: Parti socialiste (CC BY-NC-ND 2.0)
Martin Schulz wirft die Zeitmaschine an und will Deutschland zurück in die Vergangenheit befördern: Der designierte SPD-Kanzlerkandidat plant, wichtige Schritte der Agenda 2010 rückgängig zu machen. Es wäre ein überflüssiges Experiment – und ein riskantes.
Die Agenda 2010 leitete einen dringend benötigten Wandel ein: Vor den Sozialreformen zählte das Heer der Arbeitslosen fast fünf Millionen, Deutschland galt als der “kranke Mann Europas”. Doch auch dank der nötigen Flexibilisierung des Arbeitsmarktes hat sich die Erwerbslosigkeit fast halbiert – und Deutschland ist zum Vorbild geworden.
Als besonders erfolgreich erwies sich, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes zu verkürzen. Statt auf die Alimentierung von Arbeitslosen wurde der Fokus auf Vermittlung gelegt: Arbeitslosen wurde nahegelegt, schnell eine neue Stelle anzunehmen und nicht in der Hoffnung auf den perfekten Job immer länger in der Erwerbslosigkeit zu verharren. So wird ein Teufelskreis durchbrochen: Es ist empirisch gut belegt, dass es immer schwieriger wird der Arbeitslosigkeit zu entkommen, je länger sie andauert.
Doch genau hier will Schulz das Rad der Geschichte zurückdrehen: Theoretisch könnte nach seinen Reformplänen ein Arbeitsloser bis zu vier Jahre Unterstützung in Höhe des Arbeitslosengeldes I bekommen, wenn er sich zwei Jahre in Weiterbildungsmaßnahmen befindet. Auch Schulz’ Idee, das Schonvermögen für Arbeitslosengeld II zu verdoppeln, dürfte viele Menschen von einer ernsthaften Arbeitssuche abhalten: Ein 60-Jähriger, der bis zu 18.000 Euro verfügt, würde dennoch Unterstützung erhalten.
Schulz versucht, diesen verstaubten Reformplänen einen modernen Anstrich zu verpassen: Arbeitslose sollten nach drei Monaten auch einen Rechtsanspruch auf Weiterqualifizierung haben, fordert er. Das widerspricht allerdings einer erfolgsbewährten Praxis, die sich in Arbeitsagenturen durchgesetzt hat: genau zu prüfen, ob eine Fortbildung die Jobaussichten nicht sogar verschlechtert – weil der Jobsuchende noch länger aus dem Erwerbsleben ausscheidet.
Ohnehin ist fraglich, ob die Bundesagenturen die richtigen Orte für Qualifizierungsprogramme sind: Besser wäre es, die betriebliche Weiterbildung stärker zu fördern. Unternehmen wissen am besten, welche Fähigkeiten sie am dringendsten suchen: An einer neuen Maschine angelernt zu werden, ist sicherlich sinnvoller, als der dritte Bewerbungskurs.
Unklar bleibt auch, was die von Schulz versprochenen Wohltaten kosten sollen. Allein das propagierte Recht auf Weiterbildung dürfte bei schätzungsweise rund 340.000 Anspruchsberechtigten etwa 1,7 Milliarden Euro kosten – die längere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I ist hierbei noch nicht eingerechnet. Der positive Trend im Budget der Bundesagentur wäre gefährdet: Die jährlichen Ausgaben für Arbeitslosengeld sind zwischen 2004 und 2016 von 29,1 Milliarden Euro auf 14,4 Milliarden Euro gesunken. Der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung konnte von 6,5 Prozent auf 3,0 Prozent reduziert werden.
Schulz’ geplante Reformen könnten diese Erfolge schnell wieder zunichte machen: Die vermeintliche Medizin ist ein süßes Gift, das Deutschland wieder “zum kranken Mann” Europas machen könnte.
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Autor:
INSM Redaktion Hier schreibt die Redaktion der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.