6 Irrtümer über den Arbeitsmarkt
Wie ungerecht geht es auf dem Arbeitsmarkt zu? Werden die regulären Beschäftigungsverhältnisse wirklich vom Niedriglohnsektor verdrängt? Und welche Chancen bietet der Arbeitsmarkt für die Älteren? Was ist Mythos und was ist Wirklichkeit?
In der jüngsten Vergangenheit prägten strukturelle Veränderungen am Arbeitsmarkt sowie die wachsende Ungleichverteilung der Einkommen die gesellschaftliche und politische Debatte. Dabei sieht die Realität mittlerweile deutlich besser aus als das Bild, das sich hartnäckig in unseren Köpfen hält. Eine Studie des DIW und empirische Daten des Statistischen Bundesamts zeigen: Viele weit verbreitete Annahmen über den Arbeitsmarkt sind schlichtweg Irrtümer und entsprechen nicht der Realität.
Erster Irrtum: Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander
Richtig ist: 2005 erreichte die Ungleichheit bei der Einkommensverteilung einen historischen Höhepunkt. Tatsächlich sorgte die gute Arbeitsmarktentwicklung der letzten Jahre aber dafür, dass die Schere sich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder zu schließen beginnt. Aus einer Studie des DIW geht hervor, dass die Einkommensverteilung sich seit dem Jahr 2005 langsam angleicht.
Zweiter Irrtum: Reguläre Beschäftigungsverhältnisse verschwinden
Zwar gibt es heute tatsächlich deutlich mehr atypische Beschäftigungsverhältnisse als noch vor einigen Jahren. Daten des Statistischen Bundesamts zeigen jedoch, dass der Anteil der regulär Beschäftigten 2010 wie schon im Jahr 2000 weiterhin konstant bei ca. 40% der Bevölkerung im Erwerbsalter lag. Die neuen Arbeitsformen kommen ergänzend auf den Arbeitsmarkt und integrieren diejenigen, die zuvor arbeitslos oder aus anderen Gründen nicht erwerbstätig waren. Hinzu kommt, dass die Zahl der der Menschen, die nur einen Minijob haben, seit 2004 nicht mehr weiter zunimmt.
Dritter Irrtum: Es existieren fast nur noch befristete Beschäftigungsverhältnisse
Wahr ist: Viele Berufseinsteiger erhalten zu Beginn einen befristeten Arbeitsvertrag. Der Großteil wird später aber fest eingestellt. Ein Indiz dafür: Der Anteil der Arbeitnehmer in einem zeitlich begrenzten Beschäftigungsverhältnis nimmt mit steigendem Alter ab: Während unter den 20 bis 24-jährigen 32 Prozent einen befristeten Vertrag haben, sind es unter den 40 bis 44-jährigen nur noch 6 Prozent. Insgesamt hat lediglich jeder zehnte einen befristeten Job.
Vierter Irrtum: Der wachsende Niedriglohnsektor verdrängt gut bezahlte Job
Tatsächlich nahm der Anteil an Geringverdienern in den letzten Jahren zu. Von 2000 auf 2009 stieg er um ca. 4%. Diese Entwicklung geht allerdings nicht zu Lasten der besser bezahlten Beschäftigungen, deren Anteil sich konstant bei ca. 48 Prozent der Erwerbsbevölkerung (2008/09) bewegt, sondern bietet vielmehr insbesondere den geringqualifizierten Arbeitsuchenden die Möglichkeit zum Berufseinstieg.
Fünfter Irrtum: Geringverdiener sind trotz Arbeit armutsgefährdet
Nicht unbedingt – viele Bezieher von Niedriglöhnen beziehen Einkommen aus weiteren Quellen, wie beispielsweise Renten oder dem Verdienst des Partners. Im Ergebnis ist nur jeder sechste Geringverdiener armutsgefährdet. Viel größer ist das Risiko für Arbeitslose: Hier fallen 60 Prozent unter die Schwelle der Armutsgefährdung. Wer mit einem Niedriglohnjob aus der Arbeitslosigkeit herauskommt, verbessert in den meisten Fällen seine soziale Lage deutlich.
Sechster Irrtum: Der Arbeitsmarkt verwehrt Älteren den Zugang
Das Gegenteil ist der Fall: Die Abkehr von der Frühverrentung sorgte in den letzten Jahren für einen Abfall der Arbeitslosenquote und für eine deutliche Zunahme des Anteils der Erwerbstätigen im Alter von 55 bis 64 Jahren. Wie Daten des Statistischen Bundesamts zeigen, gingen im Jahr 2000 nur 46 Prozent der älteren Männer einer Beschäftigung nach, bei den Frauen waren es sogar nur 29 Prozent. Im Jahr 2011 betrug die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Älteren 67 Prozent (Männer) beziehungsweise 53 Prozent (Frauen).