Abendveranstaltung: Ohne Herbst der Reformen kommt der Winter der Entlassungen
Wie kann Wirtschaftspolitik gelingen und langfristig Wachstum schaffen?
Drei unterschiedliche Ökonomen in unterschiedlichen Rollen, aber mit gar nicht so unterschiedlichen Meinungen. Es ging um den Herbst der Reformen, und wie ein Winter der Entlassungen vermieden werden kann. Aktuelle Herausforderungen der Regierung wurden bei dieser INSM-Veranstaltung im Axica-Tagungszentrum neben dem Brandenburger Tor ebenso thematisiert wie mögliche Lösungsansätze.
In seinem Eingangsimpuls skizzierte Prof. Dr. Jens Boysen-Hogrefe vom Kiel-Institut die aktuelle Lage der konjunkturellen Entwicklung und der Finanzpolitik. Die Volkswirtschaft sehe sich mit Herausforderungen wie einer alternden Bevölkerung, zunehmender Bürokratielast und fehlenden Innovationszweigen der Industrie konfrontiert – die Bundesregierung zusätzlich u.a. mit steigenden Zinsausgaben, die die Haushaltsspielräume deutlich einschränken.
Rückblickend auf die positive wirtschaftliche Dekade nach der Agenda 2010 wies Prof. Dr. Boysen-Hogrefe darauf hin, dass diese in der Folge auch durch niedrige Zinsausgaben begünstigt wurde. Heute hingegen trägt das anhaltend hohe Primärdefizit zu einer weiter steigenden Schuldenquote bei. Ausgabenausweitungen wie durch das geplante Rentenpaket 2025 kritisierte er haushälterisch, aber auch inhaltlich in ihrer Verteilungswirkung:
„Ab dem Moment, in dem mehr Geld in die Rentenversicherung gepackt wird, profitieren davon eher die Wohlhabenden.“
Die schwierige Haushaltslage wurde in der nachfolgenden Diskussion mit CDU-Haushaltspolitiker Dr. Yannik Bury und Dr. Florian Schuster-Johnson vom Dezernat Zukunft, unter der Moderation von Max Stascheit von Politico vertieft. Der Schwerpunkt lag dabei auf dem Sozialstaat und der Rentenversicherung.
„Rente mit 63 in Kombination mit Aktivrente ist letztendlich schizophren. Dieses Rentenpaket geht in keiner Weise an die Wurzel des Problems ran. Deshalb ist es für den Haushalt eher Fluch als Segen“, warnte Dr. Schuster-Johnson.
Dr. Bury verwies auf die Ablehnung des aktuellen Gesetzesentwurfs durch die Junge Gruppe der Unionsfraktion, da dieser über den Koalitionsvertrag deutlich hinaus ginge:
„Beim Koalitionsvertrag zu bleiben, fällt mir und einigen Kollegen beim Rentenpaket schon schwer. Dann sollten wir auch nicht darüber hinausgehen.“
Bezogen auf die allgemeine Haushaltslage verwies Schuster-Johnson auf die immer geringer ausfallenden frei verfügbaren Mittel im Haushalt. Dieser drohe langfristig „zu versteinern“. Im angespannten globalen Wettbewerb sei aktuell außerdem nicht gewiss mit welchen Industriegütern oder Dienstleistungen deutscher Unternehmer in Zukunft konkurrenzfähig sein könnten. Die eigentliche Frage, die zu stellen wäre, laute deshalb:
„Ist der Haushalt eigentlich auf das getrimmt, was wir wollen: Wachstum? Diese Frage zu stellen hat in Deutschland keine Tradition.“
Alle Fotos zur Veranstaltung finden Sie hier.