INSM-Position Rente

Damit die gesetzliche Rente auch in Zukunft das zentrale Alterssicherungssystem bleiben kann, muss die Politik umsteuern. Sie befindet sich in einer demografischen Sackgasse und der Aufprall steht aufgrund des nun einsetzenden Renteneintritts der Babyboomer-Generation unmittelbar bevor. So wird der Altenquotient (Verhältnis der Ü65-Jährigen zu 20- bis 64-Jährigen), der 2023 noch bei 37 Prozent lag, in den kommenden Jahren auf etwa 50 Prozent steigen, das heißt: zwei Arbeitnehmer finanzieren einen Rentner. Die Anzahl der Erwerbstätigen nimmt immer weiter ab; bis 2060 um fast 30 Prozent. Rein mathematisch gerät das Umlageverfahren der gesetzlichen Rente dadurch in eine Schieflage. 

Trotzdem hat die Politik in der jüngeren Vergangenheit immer neue Milliarden-Ausgaben beschlossen: „Rente mit 63“, Grundrente, Mütterrente I, II und III, und die Abschaffung des Nachhaltigkeitsfaktors bis 2031. Damit wurden die Rentenfinanzen dauerhaft belastet. Tragen müssen diese Last die Beitragszahler, vor allem die jungen. Statt teure Wahlgeschenke für einzelne Bevölkerungsgruppen braucht das Rentensystem entschlossene Reformen, welche die Folgen des demografischen Wandels fair zwischen den Generationen verteilen. 

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) fordert 

  • den Nachhaltigkeitsfaktor wieder zu reaktivieren, 
  • den gefundenen Lasten-Kompromiss zwischen Jüngeren und Älteren über 2031 fortzuschreiben und das Rentenalter an die Lebenserwartung zu koppeln, 
  • die „Rente mit 63“ auslaufen zu lassen,
  • Altersarmut gezielt zu bekämpfen, 
  • eine Mindestvorsorgepflicht für Selbstständige einzuführen und 
  • die kapitalgedeckte Altersvorsorge breit zu fördern und zu einem wesentlichen Bestandteil der Altersvorsorge zu machen. 

Nachhaltigkeitsfaktor wieder reaktivieren

Der Nachhaltigkeitsfaktor, der im Zuge der sogenannten „doppelten Haltelinie“ bis einschließlich 2025 ausgesetzt wurde, sorgt nach jetzigem Gesetzesstand ab 2026 dafür, dass die Lasten durch den nun einsetzenden Renteneintritt der Babyboomer-Generationen zwischen Rentnern und Beitragszahlern wieder fair aufgeteilt werden. Die im Koalitionsvertrag von Union und SPD vereinbarte Abschaffung des Nachhaltigkeitsfaktors würde in den nächsten 20 Jahren zusätzliche Kosten von 520 Mrd. Euro bedeuten. Die ohnehin schon stark steigenden Rentenbeiträge müssten bis 2030 um weitere 0,4 Prozentpunkte steigen; danach weiter um zusätzliche 1,1 Prozentpunkte. Der demografische Wandel trifft die junge Generation aber schon heute hart. Auch ohne weitere Leistungsausweitung wird der Beitragssatz zur Rentenversicherung bis 2035 von derzeit noch 18,6 Prozent um mindestens weitere 2 Prozentpunkte ansteigen. Damit bleibt für Arbeitnehmer weniger netto und für die Arbeitgeber wird Personal teurer.

Bild

Rentenalter an Lebenserwartung koppeln  

Mit dem langsamen schrittweisen Ansteigen des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre bis 2031 wurde ein gesellschaftlicher Kompromiss gefunden: Auf diese Weise werden die Lasten der Demografie zwischen Rentnern und Beitragszahlern aufgeteilt. Wenn die Lebenserwartung in Deutschland – was zu wünschen ist – auch nach 2031 weiter steigt, sollte auch das Renteneintrittsalter weiter erhöht werden. Andernfalls würden allein die Jüngeren die Kosten dieser weiteren Steigerung der Lebenserwartung tragen. Denkbar wäre, von drei Monaten mehr Lebenserwartung zwei Monate länger zu arbeiten und einen Monat länger Rente zu beziehen. Das entspräche auch ungefähr dem aktuellen Verhältnis von Arbeitszeit und Rentenbezugszeit. Mal angenommen, die Lebenserwartung würde innerhalb von zehn Jahren um neun Monate steigen, läge das Renteneintrittsalter 2041 bei 67,5 Jahre. Der pauschale Vorwurf, auf diese Weise drohe innerhalb kürzester Zeit die „Rente mit 70“, ist also falsch. Denn umgekehrt gilt auch: Sofern die Lebenserwartung nicht weiter steigt, bliebe auch das Renteneintrittsalter unverändert.  

 

„Rente mit 63“ auslaufen lassen 

Die „Rente mit 63“ wurde offiziell zur Unterstützung von Menschen eingeführt, die in körperlich sehr anstrengenden Berufen arbeiten (wie etwa Dachdecker oder Maurer). Da diese das reguläre Renteneintrittsalter kaum erreichen könnten, sollten sie laut Politik die Möglichkeit haben, schon vorher abschlagsfrei in Rente zu gehen. Empirisch zeigt sich aber, dass die „Rente mit 63“ überwiegend von Menschen mit körperlich wenig fordernden Tätigkeiten, etwa im öffentlichen Dienst, genutzt wird. Auch haben ihre Nutzer eher mittlere als geringe Einkommen. Gleichzeitig werden durch die stärker gestiegenen Beiträge im Zuge der „Rente mit 63“ Geringverdiener besonders stark belastet, da für sie die Abzüge für die Sozialversicherungen den größten Teil der Lohnabzüge darstellen. Insofern ist sie eine Umverteilung von unten nach oben. Die „Rente mit 63“ sollte daher abgeschafft werden. Würde man sie bis 2031 langsam auslaufen lassen, würde die Rentenversicherung bis 2045 um knapp 227 Milliarden Euro entlastet. Der Anstieg des Rentenbeitrags fiele um 0,5 Prozentpunkte geringer aus. 

 

Altersarmut gezielt bekämpfen – außerhalb der Rentenversicherung 

Rentner, die in Armut leben, verdienen die Unterstützung der Solidargemeinschaft. Wichtig ist dabei, dass Unterstützung gezielt gewährt wird, um mit öffentlichen Geldern effizient umzugehen und keine neuen Ungerechtigkeiten zu schaffen. Die 2021 eingeführte Grundrente erfüllt beide Kriterien nicht. Zum einen, weil sie unabhängig von der genauen Vermögenssituation gewährt wird. Zum anderen, weil durch sie sowohl ungleiche Rentenbeitragszahlungen zu ähnlichen Renten führen, als auch gleiche Beitragszahlungen zu unterschiedlichen Renten. Dies geschieht, da unter gewissen Bedingungen (33 Jahre an „Grundrentenzeiten“ wie z.B. Pflichtbeiträge aus Beschäftigung, Kindererziehungszeiten, nicht aber Zeiten mit freiwilligen Beiträgen sowie ein durchschnittlicher Verdienst von weniger als 80 Prozent des Durchschnittsverdienstes) Rentenpunkte aufgewertet werden – bei Nicht-Erfüllung der Kriterien aber nicht. Das ist ungerecht und nach Expertenmeinung evtl. sogar verfassungswidrig und enorm bürokratisch. Altersarmut muss gezielt nach einer Bedürftigkeitsprüfung und wie bisher mit der Grundsicherung im Alter adressiert werden. Bei der Rente muss wiederum gelten: Wer mehr einbezahlt, muss auch mehr herausbekommen.  

 

Mindestvorsorgepflicht für Selbstständige einführen  

Die Hauptursache von Altersarmut ist fehlende Altersvorsorge. Davon sind auch Selbstständige betroffen. Sie sollten daher zur Mindestaltersvorsorge verpflichtet werden, damit sie später nicht von der Allgemeinheit über Steuern finanziert werden müssen. Ausnahmeregelungen für Existenzgründer in der Start-up-Phase sind sinnvoll, da Selbständige oftmals in den ersten Jahren nach Gründung wenig oder gar kein Geld verdienen. Dabei sollte ihnen selbst überlassen werden, wie sie für ihr Alter vorsorgen, um der notwendigen Flexibilität einer Selbständigkeit Rechnung zu tragen. Falsch wäre es, Selbstständige zwangsweise in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen. Das würde die demografisch bedingte Schieflage der Rentenversicherung verstärken, da der zusätzlichen Liquidität in der Gegenwart Rentenanwartschaften für die Zukunft entgegenstehen. 

 

Kapitalgedeckte Altersvorsorge breit fördern 

Aufgrund des demografischen Wandels kann das Umlageverfahren der gesetzlichen Rente den Lebensstandard im Alter nicht garantieren. Es ist daher notwendig, das Umlageverfahren mit zusätzlicher Vorsorge am Kapitalmarkt zu ergänzen. Trotz immer wieder vorkommender kurzfristiger Schwankungen zahlen sich Kapitalmarktinvestitionen über einen langen Anlagezeitraum aus. Zusammengenommen kann so ein höheres Sicherungsniveau erreicht werden als durch eine alleinige Absicherung über das Umlageverfahren. Da die zu diesem Zweck eingeführte Riester-Rente wegen überzogener bürokratischer und inhaltlicher Hürden keine ausreichende Verbreitung erreicht hat, sollte der unter der Ampel diskutierte Ansatz einer Neuaufstellung der privaten Vorsorge in Form eines staatlich geförderten Altersvorsorgekontos wieder aufgegriffen werden. Hierfür wären u.a. auch steuerliche Anpassungen notwendig (z.B. bessere Verlustverrechnungsmöglichkeiten und die Wieder-Einführung einer Spekulationsfrist). Grundsätzlich sollte bei privater und betrieblicher Vorsorge daher auf Beitragsgarantien verzichtet werden, um die Vorteile von Kapitalmarktinvestitionen voll ausnutzen zu können.  

Bild

Quellen und Informationen  

Bucher-Koenen, T. et al. (2019): Kapitalanlage eines staatlich organisierten Altersvorsorgefonds. Leibniz Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Online verfügbar unter https://www.vzbv.de/sites/default/files/downloads/2019/11/21/19-11-15_gutachten_finaleslayout_clean.pdf. 

Buslei, H. et al. (2024): Rente nach 45 Jahren: Auch Personen mit geringer Arbeitsbelastung gehen frühzeitig abschlagsfrei in Ruhestand. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. Online verfügbar unter https://www.diw.de/de/diw_01.c.927861.de/publikationen/wochenberichte/2024_48_1/rente_nach_45_jahren__auch_personen_mit_geringer_arbeitsbelastung_gehen_fruehzeitig_abschlagsfrei_in_ruhestand.html. 

Deutscher Bundestag (2024): Entwurf eines Gesetzes zur Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge und zur Einführung eines Altersvorsorgedepots (Altersvorsorgedepotgesetz). Drucksache 20/14027. Online verfügbar unter https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw49-de-private-altersvorsorge-1032598. 

Holtemöller, O. et al. (2024): Reformvorschläge für die Gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland. Online verfügbar unter https://www.econstor.eu/bitstream/10419/297979/1/1890815462.pdf. 

Moog, S. (2023): Rente mit 63 – Quo vadis? Potenziale zur Fachkräftesicherung und Stabilisierung der Rentenfinanzen. Online verfügbar unter https://files.insm.de/uploads/2023/05/B101194_INSM_Rente_mit_63.pdf. 

Ochmann, R. et al. (2025): Beitragsentwicklung in der Sozialversicherung. Update der szenarienbasierten Projektion bis zum Jahr 2035. IGES. Online verfügbar unter https://caas.content.dak.de/caas/v1/media/88710/data/a57e74372daa9edc30149d9b452e96f0/250121-download-kurzbericht-pk-rekordanstieg-bei-sozialabgaben.pdf. 

Ruland, F. (2020): Die Verfassungswidrigkeit der Grundrente. Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit bzw. -widrigkeit des Entwurfs eines Grundrentengesetzes. Kölner Universitätsverlag. Online verfügbar unter https://files.insm.de/uploads/2024/05/INSM_Verfassungswidrigkeit_der_Grundrente_2020.pdf. 

Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2023). Wachstumsschwäche überwinden – in die Zukunft investieren. Jahresgutachten 23/24. Alterungsschub und Rentenreformen. S. 284 – 387. Online verfügbar unter https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/gutachten/jg202324/JG202324_Gesamtausgabe.pdf 

Scherff, D. (2025): Das bedeuten die Rentenpläne für jeden von uns. Frankfurter Allgemeine Zeitung. Online verfügbar unter https://www.faz.net/aktuell/finanzen/koalitionsverhandlungen-das-bedeuten-die-rentenplaene-fuer-jeden-von-uns-110386121.html. 

Schüler, R. (2022): „Rente mit 63”: Wer geht abschlagsfrei vorzeitig in den Ruhestand? Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Online verfügbar unter https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Kurzberichte/PDF/2022/IW-Kurzbericht_2022-Rente-mit-63.pdf. 

Datum:
Themen:

Das könnte Sie auch interessieren