Vollständige Bürgergeld-Streichung ist verfassungskonform
Die von der Regierung geplanten Sanktionen im Zuge der Bürgergeld-Abschaffung sind verfassungsgemäß. Die Einschränkungen könnten sogar noch umfassender ausfallen. Dies ist das Ergebnis einer von der INSM in Auftrag gegebenen Studie von Prof. Dr. Rainer Schlegel, Präsident des Bundessozialgerichts a.D.
Kernaussagen:
1. Der Gesetzgeber darf sich nicht hinter dem BVerfG verstecken
Trotz der ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verbleibt beim Gesetzgeber der maßgebliche Gestaltungsspielraum, da die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keineswegs unveränderbar, sondern entwicklungsoffen ist. So kann z.B. aufgrund der heute eingeschränkteren finanziellen Situation als noch vor ein paar Jahren auch eine stärkere Priorisierung bei den Sozialausgaben begründet werden.
2. Auch komplette Leistungskürzung sind möglich
Anders als in der öffentlichen Debatte oftmals suggeriert, sind auch komplette Leistungskürzungen möglich. So z.B., wenn jemand mehrfach nicht zu Terminen erscheint, nicht erreichbar ist, auch nicht zu Hause für „aufsuchende Hilfe“, oder eine zumutbare Arbeit nicht annimmt – dann kann davon ausgegangen werden, dass keine Bedürftigkeit vorliegt. Härtefallregelungen für Partner und Kinder sind davon ausgenommen.
3. Die aktuellen Regelungen zur Feststellung von Mitwirkungsverweigerung sind praxisuntauglich
Die aktuellen Regelungen, nach denen Jobcenter-Mitarbeiter Sanktionen verhängen, sind nicht praxistauglich und machen es den Mitarbeitern faktisch unmöglich, diese überhaupt zu verhängen. Es braucht insbesondere Regelbeispiele und -kriterien, nach denen Jobcenter-Mitarbeiter z.B. ein Nicht-Vorliegen von Mitwirkung oder Bedürftigkeit voraussetzen dürfen.
4. Der Bürgergeldempfänger muss umfassend mitwirken
Das Bürgergeld ist kein bedingungsloses Grundeinkommen. Von den Empfängern ist insofern eine umfassende Mitwirkung zu erwarten, die zu Beginn des Bezugs in Form eines Kooperationsplan inkl. Konsequenzen bei Nicht-Kooperation festgehalten werden sollte. Unzumutbares wird von keinem Empfänger verlangt. Unabdingbar ist erhöhter persönlicher Kontakt im persönlichen Gespräch.
5. Die Kosten der Unterkunft werden aktuell nach keinen einheitlichen Maßstäben berechnet
Der weitaus größere Kostenblock als die reinen Regelleistungen, die Kosten der Unterkunft, werden aktuell nach keinen einheitlichen Maßstäben ermittelt. Ein Übergang zu Pauschelen könnte zu Vereinheitlichung und damit Vereinfachung beitragen. Auch könnten damit die Kosten begrenzt und Verhaltensanreize gesetzt werden, billigeren Wohnraum nachzufragen.
6. Bei der Bedürftigkeitsprüfung sollte auf Vor-Corona-Regeln zurückgegriffen werden
Bei der Prüfung der Bedürftigkeit, konkret in Bezug auf Freibeträge, Schonvermögen etc. sollte zu den Regeln der Vor-Corona-Regeln zurückgekehrt werden, um zielgerichtet zu unterstützen. Auf Karenzzeiten sollte komplett verzichtet werden.