INSM-Position Freihandel
Deutschland ist die weltweit drittgrößte Exportnation nach China und den USA (Stand: 2022). Deutsche Unternehmen haben 2022 Waren und Dienstleistungen im Wert von gut 1.650 Milliarden Dollar ins Ausland verkauft.
Freihandel ist wesentlich für unseren Wohlstand. Jede Veränderung im internationalen Handel wirkt sich unmittelbar auf unser Leben aus. Die zunehmend globalen Verflechtungen haben lange den Wohlstand gemehrt, doch in der Pandemie und in Kriegszeiten werden auch die Nachteile von Verflechtungen sichtbar: Lieferketten reißen, und autoritäre Regime profitieren von Abhängigkeiten, etwa der russische Präsident Wladimir Putin dank der großen Gas- und Ölvorkommen in seinem Land.
Was tun in einer solch geänderten Weltlage? Wie können die Vorteile des globalen Handels weiter genutzt, gleichzeitig aber eine gemeinsame demokratische Basis behauptet werden? Der beste Weg ist, den wertegebundenen Freihandel zu stärken.
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) fordert:
- Handelsbeziehungen zwischen rechtsstaatlichen Demokratien zu stärken,
- globale Wertschöpfungsketten zu erhalten,
- die WTO zu reformieren und Protektionismus einzudämmen,
- im Umgang mit China robuster zu werden und die Abhängigkeiten auch von anderen autoritären Staaten zu reduzieren sowie
- den EU-Binnenmarkt zu stärken.
Handelsbeziehungen zwischen Demokratien stärken
Wirtschaftsstarke Demokratien sollten ihre Wirtschaftsbeziehungen vertiefen, indem sie Handelsbarrieren abbauen. Der geeignete Rahmen für solche Vertiefungen kann unter anderem die G7-Institution mit Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten sein. Ganz konkret sollte CETA, das Handelsabkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union, zeitnah von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden, damit aus dem vorläufigen Abkommen (98 Prozent der Zölle zwischen Kanada und der EU sind seit 2017 weggefallen) ein dauerhaftes werden kann. Zudem wäre jetzt die Zeit für ein neues transatlantisches Handelsabkommen zwischen der EU und den USA. Die Deutschen jedenfalls wollen eine Ausweitung des Handels zwischen Demokratien. Eine repräsentative Umfrage zeigt: 77,7 Prozent der Deutschen wünschen sich verstärkte Handelsbeziehungen zwischen demokratischen Staaten. Das kann als Auftrag an die Politik verstanden werden, einen neuen Anlauf für ein Freihandelsabkommen zwischen den beiden größten westlichen Blöcken, USA und EU, zu unternehmen.
Globale Wertschöpfungsketten erhalten
Firmen müssen selbst entscheiden, wie sehr sie ihre Zulieferbeziehungen zur Erhöhung der Versorgungssicherheit in Zukunft stärker diversifizieren und inwieweit sie dabei bereit sind, höhere Kosten in Kauf zu nehmen. In der medizinischen Grundversorgung kann staatliches Eingreifen geprüft werden, aber nur in Einzelfällen. Lagerhaltung sensibler Produkte ist eine Option. Aber neue Handelsbarrieren sind fehl am Platz. Renationalisierungsmaßnahmen und eine Eskalation von Handelskonflikten gilt es zu verhindern.
WTO reformieren und Protektionismus eindämmen
Insgesamt gelten die WTO-Vorschriften für rund zwei Drittel der deutschen Exporte, die in Länder außerhalb der EU gehen. Zu diesen Ländern gehören die USA, China, Brasilien, Russland, Indien und das Vereinigte Königreich. Mit 66 Milliarden US-Dollar an jährlichem Wohlfahrtszuwachs gewinnt die deutsche Wirtschaft aufgrund ihrer ausgeprägten Handelsoffenheit in Relation zu ihrer Wirtschaftsgröße weit überproportional durch die WTO im Vergleich zu den USA und China.
Trotz anfänglicher Erfolge befindet sich die WTO in einer Krise. So kann etwa die Berufungsinstanz des WTO-Streitbeilegungsmechanismus seit Dezember 2019 nicht mehr arbeiten, weil die USA die Ernennung neuer Richter blockieren. Nach WTO-Regeln müssen Dispute aber in letzter Instanz entschieden sein, damit der Kläger Maßnahmen wie Strafzölle einführen darf.
Ziel muss sein, die Berufungsinstanz wieder arbeitsfähig zu machen. Anders als unter dem früheren US-Präsidenten Donald Trump sollte es mit der amtierenden Biden-Regierung leichter fallen, eine Lösung zu finden, die auf die teils berechtigte Kritik der USA eingeht.
Grundsätzlich gilt: Die EU sollte dem neuen Protektionismus entgegentreten und die WTO stärken, um das Prinzip offener Märkte zu unterstützen.
Im Umgang mit China robuster werden und Abhängigkeit von weiteren autoritären Staaten reduzieren
Gut 2 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland hängen direkt oder indirekt vom Export nach China ab. Das ist nicht wenig, aber noch überschaubar. Daher sollte sich Deutschland als größte Wirtschaftsnation der EU auch auf europäischer Ebene einen etwas selbstbewussteren Umgang mit China erlauben, damit Peking die Wettbewerbsverzerrungen seines Staatskapitalismus abbaut.
Außerdem sollte die Europäische Union das Ziel der strategischen Autonomie verfolgen, um nicht in zu große Abhängigkeiten von autoritären Staaten zu geraten. Allerdings darf strategische Autonomie nicht zum Einfallstor für immer mehr staatliche Interventionen werden. Der Staat hat nur dann eine Berechtigung zum Eingriff, wenn der Markt klar versagt oder geopolitische Zwänge neue Herausforderungen stellen.
EU-Binnenmarkt stärken
Die Kommission weist auf der Grundlage von Studien des Europäischen Parlaments darauf hin, dass schon eine weitere Integration des Binnenmarktes für Industrieerzeugnisse nach einer längeren Übergangsperiode einen zusätzlichen jährlichen Nutzen in Höhe von 3 bis 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erbringen könnte. Verbesserungen des Binnenmarktes für Industrieerzeugnisse würden demnach „jährlich zwischen 183 und 269 Milliarden Euro generieren“. Ein noch etwas größeres Potenzial liegt im Bereich der Dienstleistungen, obwohl sie grundsätzlich weniger handelbar sind als Industrieprodukte. Die „Wertsteigerung durch die weitere Integration der Dienstleistungsmärkte“ könnte sich „auf 297 Milliarden Euro“ belaufen. Deutschland sollte sich deshalb vehement für eine Stärkung des Binnenmarktes einsetzen und neue Hindernisse bekämpfen.
Quellen und Informationen
- Institut der deutschen Wirtschaft, 2020: Handelspolitische Empfehlungen für Bundesregierung und EU
- OECD, 2020: Trade in employment indicators
- Bertelsmann Stiftung, 2019: USA, China und Deutschland profitieren am stärksten von der WTO
- European Parliament, 2019: Europe’s two trillion euro dividend, Mapping the Cost of Non-Europe (2019-24).