INSM-Position Arbeitsmarktpolitik
Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie setzen den deutschen Arbeitsmarkt unter Druck. Die historisch hohe Zahl an Kurzarbeitern verhindert vorerst Entlassungen in größerem Umfang. Deshalb stieg die Arbeitslosigkeit auch weniger stark als der wirtschaftliche Einbruch im April und Mai 2020 vermuten ließe. Personen, die krisenbedingt arbeitslos sind, finden allerdings wegen der wirtschaftlichen Unsicherheit nicht sofort eine neue Stelle. Damit sich die temporäre Arbeitslosigkeit nicht verfestigt und die Beschäftigtenzahl bis zum Herbst 2021 auf Vorkrisenniveau zurückkehrt, braucht es flexiblere Beschäftigungsmöglichkeiten und angemessene Lohnkosten.
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft fordert:
- die Sozialbeiträge unter 40 Prozent zu halten und eine politische Lohnfindung zu unterlassen
- Neueinstellungen durch erleichterte Befristungen zu ermöglichen
- Arbeitszeit für eine verbesserte Resilienz in kommenden Krisen flexibilisieren
Sozialbeiträge unter 40 Prozent halten und politische Lohnfindung unterlassen
Von der Höhe der Lohnkosten hängt ab, wieviele Mitarbeiter von Unternehmen beschäftigt werden. Steigt das Arbeitnehmerentgelt (inkl. Sozialversicherungsbeiträgen) schneller als die Arbeitsproduktivität wird die Arbeitsleistung weniger rentabel für Unternehmen. Folge ist, dass weniger Mitarbeiter eingestellt oder gehalten werden. Die Politik beeinflusst unter anderem über die Sozialversicherungsbeiträge die Lohnkosten. Allein die vier großen Sozialversicherungszweige in Deutschland – Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung – machen etwa 40 Prozent des Arbeitnehmerentgelts aus.
Die 40-Prozent-Schwelle darf nicht überschritten werden, damit Deutschland als Beschäftigungsstandort attraktiv bleibt. Wenn durch die Corona-Krise zum Beispiel in der gesetzlichen Rentenversicherung die Beiträge steigen müssten, ist eine temporäre Steuerfinanzierung geeignet, um den Beitragsanstieg abzufedern. Langfristig braucht das deutsche Rentensystem jedoch dringend generationengerechte Reformen. Letztlich sollte sich nach der Überwindung der Corona-Folgen der Bundeszuschuss im Prinzip an den versicherungsfremden Leistungen der Rentenversicherung orientieren. Darüber hinaus ist von politischen Lohnfindungen, etwa beim Mindestlohn, abzusehen. Das Arbeitsentgelt können die Tarifparteien im Dialog am besten festlegen. Das gilt auch für den Mindestlohn, der unter Beteiligung von Gewerkschaften und Arbeitgebern in der Mindestlohnkommission festgelegt wird und sich in der Regel an der Tariflohnentwicklung orientiert.
Neueinstellungen durch erleichterte Befristung ermöglichen
Ein Hemmschuh für Neueinstellungen ist in wirtschaftlich unsicheren Zeiten wie der Corona-Krise das sogenannte Vorbeschäftigungsverbot. Beschäftigte, denen betriebsbedingt gekündigt werden mussten, dürfen derzeit wegen des Vorbeschäftigungsverbots nicht vom gleichen Arbeitgeber sachgrundlos befristet wieder eingestellt werden. Aufgrund der aktuellen Lage ist aber davon auszugehen, dass viele Unternehmen das Risiko einer unbefristeten Einstellung scheuen werden.
Das Vorbeschäftigungsverbot sollte daher für eine befristete Zeit aufgehoben werden, um so Menschen, die ihren Arbeitsplatz krisenbedingt verloren haben, die Rückkehr auf ihre alte Stelle zu ermöglichen. Um Arbeitsplatzverluste in der Zeitarbeit zu reduzieren, sollte außerdem die Höchstüberlassungsdauer in der Zeitarbeit zumindest temporär abgeschafft werden.
Arbeitszeit für eine verbesserte Resilienz in kommenden Krisen flexibilisieren
Arbeitszeitflexibilität und damit verbunden der gesetzliche Rahmen dafür haben für die Bewältigung der Krise eine hervorgehobene Bedeutung – sowohl für die Abfederung der Folgen einer sinkenden Arbeitskräftenachfrage, als auch für einen möglichst reibungslosen Anstieg nach Überwindung der Talsohle. Nach Berechnungen des IAB war das Arbeitsvolumen deutscher Arbeitnehmer im ersten Quartal 2020 rund 146 Millionen Stunden niedriger als im ersten Quartal 2019. Die beiden Hauptinstrumente zu Arbeitszeitreduzierung waren mit 41,1 Millionen Stunden die Kurzarbeit (gut 28 Prozent der Arbeitszeitreduzierung) und mit 36,3 Millionen Stunden der Überstundenabbau (knapp 25 Prozent). Darüber hinaus reduzierte sich das Arbeitsvolumen, indem Guthaben auf Arbeitszeitkonten abgebaut, Mitarbeiter temporär freigestellt und Urlaubstage vorgezogen wurden.
Die Höchstarbeitszeit im Arbeitszeitgesetz sollte zumindest zeitlich befristet und wissenschaftlich begleitet im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit umgestellt werden. Auch eine Reduzierung der Ruhephasen als befristete Maßnahme ist wünschenswert und sollte wissenschaftlich evaluiert werden. Wenn die wissenschaftlichen Evaluationen positiv ausgefallen sind, sollten Höchstarbeitszeit und Ruhephasen dauerhaft flexibilisiert werden.
Quellen und Informationen
- Bundesagentur für Arbeit, Juni 2020 (Pressemitteilung): Der Arbeitsmarkt im Mai 2020
- Holger Schäfer, Juni 2020 (IW Kurzexpertise): Die Arbeitsmarktverfassung in Deutschland nach der Corona-Krise – Optionen für eine beschleunigte Erholung
- Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Juni 2020 (Pressemitteilung): Zahl der Arbeitsstunden bereits im ersten Quartal deutlich gesunken