Forderung nach Steuervereinfachung
Die Mehrwertsteuer ist ein Paradebeispiel für das durch Ausnahmen undurchschaubar und ungerecht gewordene deutsche Steuersystem. Deshalb fordert die INSM eine Steuervereinfachung. Dass eine Reform der Mehrwertsteuer machbar ist, belegt eine Studie von Prof. Dr. Rolf Peffekoven.
Finanzwissenschaftler rät zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer
Peffekoven: 16 Prozent auf alles
Berlin. Einfache Regeln, weniger Bürokratie und fairer Wettbewerb – das sind die Ziele einer umfassenden Vereinfachung der Mehrwertsteuer. Dazu hat heute der Finanzwissenschaftler Prof. Dr. Rolf Peffekoven ein Gutachten im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) vorgelegt. Bei einer Reform der Mehrwertsteuer soll demnach der ermäßigte Steuersatz gestrichen werden; dieser liegt derzeit bei sieben Prozent. Zudem sollen alle Steuerbefreiungen abgeschafft werden – Ausnahme Mieten und Pachten. Der allgemeine Mehrwertsteuersatz könnte im Gegenzug um drei Prozentpunkte gesenkt werden – von derzeit 19 auf 16 Prozent.
„Noch nie war unser Steuerrecht so undurchschaubar wie heute. Es ist ungerecht, hemmt Wachstum und erzeugt Bürokratiekosten. Bürger, Unternehmen und der Staat können von einer Vereinfachung unseres Steuersystems unmittelbar profitieren. Fangen wir mit der Mehrwertsteuer an – hier ist eine Steuervereinfachung schnell und unkompliziert möglich“, so Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer der INSM.
Peffekoven, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium der Finanzen, kritisiert vor allem nicht nachvollziehbare Ausnahmeregelungen. „Warum
werden Windeln, Spielzeug und Kleidung für Kinder mit 19 Prozent besteuert? Und warum erhalten Hundefutter, Garnelen und Schnittblumen eine Steuerermäßigung? Maulesel werden geringer besteuert als Esel. Ökonomisch lässt sich das alles nicht erklären. Diese Beispiele zeigen, dass die Mehrwertsteuer zum Einfallstor von Partikularinteressen geworden ist“, so Peffekoven. Der Wettbewerb werde erheblich verzerrt, und der ursprünglich soziale Zweck der ermäßigten Steuersätze könne nicht erreicht werden. In vielen Fällen würden Steuerermäßigungen nicht beim Verbraucher ankommen, sondern als getarnte Subvention bei den Unternehmen landen. Wie aus dem Gutachten hervorgeht, produzieren die gespaltenen Mehrwertsteuersätze Abgrenzungsprobleme zwischen den Gütern und in der Folge erhebliche Kosten bei Unternehmen, Steuerverwaltung und Finanzgerichten. Diese Bürokratiekosten würden durch eine Steuervereinfachung wegfallen.
Peffekoven weist in seinem Gutachten nach, dass selbst dort, wo der ermäßigte Mehrwertsteuersatz beim Verbraucher ankommt, die soziale Wirkung zweifelhaft ist. „Der soziale Ausgleich über die Mehrwertsteuer funktioniert nicht. Von den Steuerbegünstigungen profitieren Klein- wie Großverdiener. So werden öffentliche Mittel vergeudet. Ein sozialer Ausgleich lässt sich über Transferzahlungen an Bedürftige viel treffsicherer organisieren.“ Eine ergänzende Expertise von DIW econ, dem Consultingunternehmen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, bestätigt Peffekovens Reformkonzept: Demnach würde sich ein einheitlicher Steuersatz von 16 Prozent für alle Einkommensgruppen sehr ähnlich auswirken. „Selbst die Haushalte mit geringsten Einkünften werden durch die Vereinfachung der Mehrwertsteuer kaum belastet“, so Pellengahr.
Die Zahlen von DIW econ machen deutlich: Die Konsumausgaben der untersten Einkommensgruppe steigen kurzfristig um 1,1 Prozent, langfristig nur um 0,4 Prozent. Mit der weitgehenden Steuervereinfachung von 16 Prozent auf alles kommt es zu staatlichen Mehreinnahmen von rund zwei Milliarden Euro. Dieser Betrag stünde für einen kostenneutralen und effizienteren sozialen Ausgleich zur Verfügung.