• Die Festlegung verbindlicher Defizitobergrenzen für die EU-Länder, die den Fiskalvertrag unterzeichnet haben, ist ein wichtiges Signal nicht zuletzt an die Finanzmärkte, mit denen die Vertragspartner ihre Absicht, ihre Schuldenprobleme mittelfristig in den Griff bekommen zu wollen, in verbindliche Regeln gießen. Damit eine Entschärfung der Schuldenkrise gelingen kann, sind derartige verbindliche Regeln unabdingbar. Inwieweit diese tatsächlich durchgesetzt werden können, bleibt abzuwarten. Positiv ist in diesem Zusammenhang, dass für den Fall der Nichteinhaltung Sanktionen vorgesehen sind.
• Für Deutschland entfaltet der Fiskalvertrag gegenüber der ohnehin für Bund und Länder geltenden grundgesetzlichen Schuldenbremse insofern zusätzliche Wirkung, als dass die Kommunen und Sozialversicherungen einbezogen werden. Faktisch wird so eine Regelungslücke der deutschen Schuldenbremse geschlossen, aufgrund derer bislang die Gefahr bestand, dass Länder einen Teil ihrer Schulden auf die Kommunen auslagern und so dem Regelungszugriff der Schuldenbremse entziehen. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass der Bund den Kommunen Unterstützung bei der Bewältigung ihrer Schuldenprobleme zugesagt hat.
• Der europäische Fiskalvertrag wird aller Voraussicht nach keine längere Übergangsfrist für Deutschland vorsehen als ein Jahr und damit ab 2014 die Defizitobergrenze von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verbindlich für alle föderalen Ebenen vorschreiben. Dagegen räumen die Übergangsregelungen der deutschen Schuldenbremse dem Bund bis 2016 und den Ländern 2020 Zeit ein, die jeweiligen Defizitobergrenzen einzuhalten. Hinzu kommt, dass nur für den Bund ein gleichmäßiger Defizitabbaupfad vorgesehen ist, während die Länder erst in 2020 ihre Konsolidierungsziele umgesetzt haben müssen. Durch die Alleinhaftung des Bundes für etwaige Sanktionszahlungen, die dann nötig werden, wenn das gesamtstaatliche strukturelle Defizit die Maximalgrenze überschreitet, entziehen sich die Länder komplett aus der Verantwortung. Die Zustimmung der Länder ist also teuer erkauft, denn faktisch erwachsen den Ländern keinerlei Verpflichtungen, die über die ohnehin notwendige Einhaltung der Schuldenbremse hinausgehen.
• Schließlich haben Bund und Länder vereinbart, dass gemeinsame Anleihen im sogenannten Huckepackverfahren emittiert werden sollen. Unklarheit besteht jedoch über die Haftungsregeln. Während der Bund davon ausgeht, dass es keine Gesamtschuldnerhaftung geben wird, sondern die Länder Emissionen des Bundes lediglich aufstocken können, gehen einige Länder offenbar davon aus, dass hier eine Art Deutschland-Bonds mit gemeinschaftlicher Haftung geschaffen werden. Letzteres wäre ein fatales Signal – nicht zuletzt für die deutsche Haltung zu Euro-Bonds. Bei gemeinschaftlicher Haftung würden die Anreize für die Bundesländer, ihre eigenen Haushalte defizitfrei zu gestalten, weiter sinken.
• Bei der Bewertung der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat zum europäischen Fiskalvertrag ist also zu differenzieren: Während grundsätzlich die Verabschiedung des europäischen Vertragswerks als zentraler Schritt zur Bewältigung der europäischen Schuldenkrise zu begrüßen ist, bestehen doch erhebliche Zweifel, ob der Preis für die Zustimmung der Länder angemessen war. Faktisch hat sich der Bund bereit erklärt, die alleinige Verantwortung für die Einhaltung des Fiskalvertrags zu übernehmen. Darüber hinaus hat er Ländern und Kommunen finanzielle Unterstützung zugesagt, die den Bundeshaushalt belasten und damit die eigenen Konsolidierungsziele des Bundes gefährden können.