Europa muss mit der nächsten US-Administration die WTO reformieren
Wie kann die Welthandelsorganisation (WTO) wieder gestärkt und handlungsfähig gemacht werden? In einem Gutachten für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) dargelegt, welche WTO-Reformen besonders dringend sind und wie mit Hilfe der WTO Protektionismus reduziert und unnötige Handelsbarrieren aus dem Weg geräumt werden können.
Die Welthandelsorganisation (WTO) ist für die Exportnation Deutschland außerordentlich wichtig. Ihr verdanken wir u.a. niedrige Zölle und faire Wettbewerbsbedingungen auf den Weltmärkten für Produkte aus Deutschland. Die jährlichen Wohlfahrtsgewinne werden auf 66 Milliarden US-Dollar allein für Deutschland geschätzt, global auf über 850 Milliarden US-Dollar. So wird u.a. der Handel mit China und den USA nach WTO-Regeln abgewickelt. Doch ausgerechnet die USA haben in den vergangenen Jahren die Arbeit der WTO erheblich behindert. Mit Joe Biden als nächstem US-Präsidenten besteht die Chance, die WTO wieder zu stärken, den Welthandel zu fördern und bestehende Handelskonflikte etwa über Flugzeugsubventionen beizulegen. INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr fordert daher die Bundesregierung auf, gemeinsam mit der EU auf ein Freihandelsabkommen mit den USA zu drängen und sich für eine stärkende Reform der WTO einzusetzen:
„Europa muss mit der nächsten US-Administration die WTO reformieren. Gerade der durch die Corona-Pandemie geschwächte Welthandel braucht einen funktionierenden Ordnungsrahmen und jemanden, der dessen Regeln durchsetzen kann.“
In einem Gutachten für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) dargelegt, welche WTO-Reformen besonders dringend sind und wie mit Hilfe der WTO Protektionismus reduziert und unnötige Handelsbarrieren aus dem Weg geräumt werden können. Um die WTO zu stärken und sie wieder handlungsfähig zu machen, ist die Wahl von Joe Biden zwar notwendig, aber nicht hinreichend.
Da die USA die Nachbesetzung von Schiedsexperten jahrelang blockiert haben, verfügt die WTO nicht mehr über genügend Streitschlichter, um Berufungsverfahren durchführen zu können. Damit fehlt der WTO eines ihrer wichtigsten Instrumente zur Durchsetzung ihrer Regeln. Um die Blockadehaltung der USA zu lösen, muss die EU auf die teilweise durchaus berechtigte Kritik der USA an tiefer liegenden Problemen eingehen. Allen voran braucht es eine Reform der WTO-Regeln für Industriesubventionen durch Staatswirtschaften. Da eine solche Reform aber nur einstimmig möglich ist, scheitern Kompromissversuche bisher am Widerstand Chinas. Nicht zuletzt diese Weigerung hat die USA zu einer Blockade der WTO veranlasst. Studienautor Jürgen Matthes schlägt daher vor, dass die EU nicht nur gemeinsam mit den USA und weiteren Industriestaaten auf eine Reform des WTO-Subventionsabkommens drängt, sondern sich auch auf eine weitere Schwächung der WTO vorbereitet:
„Der Ball liegt letztlich in Chinas Spielfeld. Denn die WTO-Regeln sind nicht für staatskapitalistische Länder mit einer intensiven und wettbewerbsverzerrenden Industriepolitik gemacht. Wenn China das nicht anerkennt, werden die USA einer Reform der Berufungsinstanz auch weiterhin nicht zustimmen. Und womöglich wäre auch die Zukunft der WTO per se auf Dauer gefährdet. Die deutsche Ratspräsidentschaft sollte daher anregen, in der EU auch über Ultima-Ratio-Szenarien nachzudenken, in denen sich die WTO als nicht zukunftsfähig erweist.“