Deutschland altert zu schnell und wächst zu langsam
Aus immer weniger immer mehr rausholen. Was sich anhört wie die Jobbeschreibung eines Motorenentwicklers, ist ziemlich genau die Aufgabe, vor der unsere Soziale Marktwirtschaft steht. In den kommenden Jahren schrumpft der erwerbstätige Teil der Bevölkerung, gleichzeitig steigt die Zahl der Rentner steil an. Das IW Köln hat berechnet, wie groß die dadurch entstehende Produktivitätslücke ist und wie sie geschlossen werden kann.
Ohne zusätzliches Wachstum werden wir unseren Wohlstand nicht halten können. So einfach lässt sich das Ergebnis einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zusammenfassen. Für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) hat das IW Köln berechnet, wie viel zusätzliches Wachstum nötig ist, um den Effekt der kleiner werdenden Erwerbsbevölkerung zu kompensieren.
Dank zusätzlicher Zuwanderung, leicht steigender Geburtenraten und kontinuierlich kletternder Lebenserwartung wird die Einwohnerzahl in Deutschland langsamer zurückgehen als noch vor einigen Jahren befürchtet. Dennoch: Der Anteil der 15- bis 67-Jährigen an der Gesamtbevölkerung wird von derzeit 69 Prozent bis zum Jahr 2035 voraussichtlich auf rund 63 Prozent sinken. Ein „normales“ Produktivitätswachstum reicht dann nicht mehr aus, um das Pro-Kopf-Einkommen auch nur konstant zu halten. Die Differenz zwischen dem bis zum Jahr 2035 erwarteten Wirtschaftswachstum und dem Wirtschaftswachstum, das für ein konstantes oder weiter steigendes Gesamteinkommen nötig wäre, bezeichnen die IW-Wissenschaftler als „Produktivitätslücke“.
Nach Berechnungen des IW Köln wird sich das Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) von derzeit rund 1,4 Prozent bis zum Jahr 2035 etwa halbieren. „Damit das nicht passiert und das BIP je Einwohner um jährlich 1,5 Prozent wachsen kann, müsste das BIP je Erwerbstätigen um zeitweise über zwei Prozent steigen. Das ist im historischen Vergleich ein sehr ehrgeiziges Ziel und würde etwa einem doppelt so starken Wachstum wie im Zeitraum von 1991 bis 2015 entsprechen“, so der Autor der Studie, Prof. Dr. Michael Grömling.
Um die Produktivitätslücke wenigstens zu verringern, schlagen die IW-Wissenschaftler unter anderem eine Verlängerung und Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit, eine stärkere Arbeitsmarktpartizipation von älteren Arbeitnehmern, Frauen, Geringqualifizierten und Einwanderern sowie eine bessere staatliche und private Infrastruktur zur Vereinbarung von Familie und Beruf vor. Zudem müsste von Vorschule über Berufsschule bis hin zur Hochschule mehr für Bildung und Talentförderung getan werden. Zusätzlich brauche es eine investitionsfreundlichere Steuerpolitik, mehr Unternehmensgründungen und dazu auch einen Ausbau des Wagniskapitalmarkts.
Dazu Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer der INSM: „Wir laufen Gefahr, uns an die monatlichen Rekordmeldungen vom Arbeitsmarkt und das im europäischen Vergleich hohe Wirtschaftswachstum zu gewöhnen. Nachlassender Ehrgeiz wäre aber angesichts des demografischen Wandels fatal. Damit die schrumpfende Erwerbsbevölkerung in den kommenden Jahrzehnten die sich auftuende Produktivitätslücke schließen kann, müssen wir alles tun, was den Arbeitsmarkt entlastet und Investitionen fördert. Politische Abenteuer und Wahlversprechen, die nicht dem Wachstum dienen, werden wir uns in Zukunft nicht mehr leisten können.“
IW-Studie „Produktivitätslücke“
Agenda 1: Bevölkerung und Erwärbstätigkeit in Deutschland
Bevölkerungsentwicklung in Deutschland
Bevölkerungsprognosen für Deutschland
Erwärbsbevölkerung im Vergleich
Agenda 2: Produktivitäts – und Innovationslücken
Motivation
Determinanten des Wachstums
Perspektiven der Wachstumsprojetion
Wachstumsprojetion für Deutschland bis 2035
Produktivitätslücken in unterschiedlichen Szenarien
Produktivitätspfade im historischen Vergleich
Produktivitäts – und Innovationslücken im Vergleich
Adenda 3: Wirtschaftspolitische Notwendigkeit
Wirtschaftspolitische Handlingsoptionen
IW-Köln: Ihr Anspechspartner
Präsentation Prof. Grömling „Produktivitätslücke“
Präsentation der Studie „Produktivitätslücke“ von Prof. Dr. Michael Grömling beim Frühstücksdialog der INSM am 04.04.2014 in Berlin