INSM-Position Bürokratie
In Deutschland gelten aktuell knapp 1.800 Bundesgesetze mit über 50.000 Einzelnormen, und ihre Zahl steigt weiter. Die Bürokratie blüht trotz wirtschaftlicher Schrumpfung und hoher Inflation. Obwohl Bürokratie grundsätzlich wichtig für einen funktionierenden Ordnungsrahmen ist, besteht die Gefahr, dass übermäßige Regulierung unternehmerische Ambitionen erstickt. Insbesondere komplexe Gesetze wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz belasten die Wirtschaft.
Es ist an der Zeit, die Bürokratie neu zu überdenken. Anstelle des bisherigen „command and control“-Ansatzes sollte eine partnerschaftliche, risikobasierte Zusammenarbeit zwischen Staat und Unternehmen etabliert werden. Gemeinsame Anstrengungen und ein vertrauensvoller Informationsaustausch können effizienter gemeinsame Ziele erreichen
Gleichzeitig sollte man weniger auf obrigkeitliche Überwachung setzen und Regulierung als Dienstleistung betrachten. Diese sollte Rahmenbedingungen für Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit schaffen, um den Standort Deutschland im internationalen Wettbewerb wieder attraktiver zu machen.
I. Schlank nach vorne — Gesetze bürokratiefrei beschließen
- Jeder Gesetzentwurf, der die Wirtschaft belastet, sollte verpflichtend die Betroffenen einbinden, egal ob er von der Regierung oder dem Parlament kommt. So stellen wir sicher, dass die einfachste und bürokratieärmere Regelung umgesetzt wird.
- Um die Beteiligung von Verbänden in Gesetzgebungsverfahren effektiv zu gestalten, sind gesetzlich verankerte Mindestfristen erforderlich. Eine wirksame Beteiligung setzt voraus, dass die beteiligten Verbände ausreichend Zeit haben, ihre Positionen angemessen zu formulieren.
- Der Normenkontrollrat soll zum Beauftragten des Bundestags für Entbürokratisierung werden. Dieser sollte jeden Gesetzentwurf umfassend auf Bürokratielasten prüfen und bei identifizierten bürokratieärmeren Lösungen in den Gesetzgebungsprozess integriert werden.
- Bei der Entstehung von Gesetzen soll in die Begründung aufgenommen werden, welche Unternehmen und Organisationen bzw. Branchen direkt oder indirekt von dem Gesetz profitieren. Häufig sind die wirtschaftlichen Profiteure Treiber von Bürokratie für andere.
- Es muss zum Normalfall werden, alle neuen Gesetze mit einem festen Ablaufdatum von maximal 5 Jahren zu verabschieden. Ein Jahr vor Ablauf muss eine verpflichtende Evaluation unter Einbeziehung der Betroffenen durchgeführt werden, um zu ermitteln, ob das Gesetz abgeschafft oder in der Belastung abgemildert werden kann.
II. Ballast abwerfen — Bürokratien effektiv abbauen
- Um das Verhältnis von Handlung und Wirkung wieder in Einklang zu bringen, sollte die Möglichkeit einer teilweisen Kostenerstattungspflicht bei staatlichen Regulierungen in Erwägung gezogen werden.
- Aus one-in-one-out muss one-in-two-out werden. Für jede neue bürokratische Auflage müssen zwei gestrichen werden, sodass die Entlastung größer ist als die Belastung.
- Jede Ministerin und jeder Minister soll jährlich einen Bericht über den Abbau von Regulierung und Bürokratie in seinem Ressort vorlegen. Der Bürokratiebeauftragte des Bundestags sammelt, bewertet und präsentiert diese Berichte im Rahmen seines Jahresberichts vor dem Bundestag.
- Statt nur einmal pro Wahlperiode muss jährlich ein Bürokratieentlastungsgesetz verabschiedet werden, das Vorschriften abschafft oder vereinfacht. So können Erfahrungen direkt für das nächste Gesetz genutzt werden und der Reformdruck bleibt erhalten.
- Beamte in Ministerien sollen Anreize erhalten, Regulierung und Bürokratie gezielt abzubauen. Für die nach Bewertung des Bürokratiebeauftragten des Bundestages tatsächlich wirksame Streichung von Vorschriften, die den Aufwand der Betroffenen reduzieren, sind Incentivierungen vorgesehen.
- Es muss ein länder- und kommunenübergreifendes Verwaltungs-Benchmarking geben. So könnten Unterschiede in Qualität und Leistung der angebotenen Dienstleistungen aufgespürt werden. Darüber hinaus können so Anreizsysteme für einen effektiven Bürokratieabbau in den Verwaltungen implementiert werden.
III. Stellen planen, Aufgaben bündeln — Personalstrukturen weiterentwickeln
- In der gesamten Bundesverwaltung darf für zwei ausscheidende Beschäftigte höchstens ein neuer eingestellt werden. Neue Abteilungen und Referate sollen, wenn möglich, auf bestehendes Personal zurückgreifen.
- Der Staat sollte zukünftig Beamtenverhältnisse auf wesentliche Hoheitsaufgaben begrenzen: Sicherheit, Justiz und die wichtigsten Stellen in Ministerien.
- Verbeamtungen sollen nur möglich sein, wenn versicherungsmathematisch korrekte Rückstellungen für Pensionslasten gebildet werden, die ausschließlich diesem Zweck dienen dürfen.
- Jedes Ministerium soll nur noch einen parlamentarischen Staatssekretär haben, der offiziell als stellvertretender Minister fungiert und damit deutlich aufgewertet wird.
- Eigenständige Regierungsbeauftragte mit eigenen Stäben müssen systematisch abgeschafft werden. Nur fachlich zuständige Führungskräfte sollen den Titel „Beauftragte“ erhalten können, ohne dass dies zusätzliches Personal oder zusätzliche Vergütung mit sich bringt.
- Ministerien sollten einheitliche Strukturen haben, ohne Mehrfachzuständigkeiten für dasselbe Thema. Dies erhöht die Effizienz und senkt die Verwaltungskosten. Referate und Stabsstellen mit redundanten Aufgaben sollen künftig vermieden werden.
- Mit 965 Bundesbehörden gibt es zu viele Parallelstrukturen. Die Bundesregierung sollte einen Plan vorlegen, um durch Zusammenlegungen und Streichungen die Anzahl der Behörden zu reduzieren.
- Wo der Staat mit Bürgern und Unternehmen in Kontakt tritt, soll der Service wie in der Privatwirtschaft direkt bewertet werden – z.B. ob das Anliegen schnell und zufriedenstellend gelöst wurde. Gute Rückmeldungen sollten belohnt und die anonymisierten Ergebnisse veröffentlicht werden, um Transparenz und Vergleichbarkeit zu schaffen.
- Automatisierte Plattformlösungen ermöglichen ein effizientes E-Government mit Kostenersparnissen. Bundesweit einheitliche Lösungen sollten ohne Behinderung durch föderale Strukturen entwickelt werden. Falls nötig, könnte eine Föderalismusreform in Betracht gezogen werden, um die Digitalisierung der deutschen Verwaltung endlich umzusetzen.
- Es soll aufseiten des Staats ein „once-only“-Prinzip etabliert werden: Anstatt dass jede Behörde das Gleiche abfragt, sollen Daten in Zukunft nur einmalig erhoben werden dürfen und dann intern in den Behörden weitergegeben werden
- Digitale Lösungen wie Chatbots können die Bürokratie effizienter machen, indem sie bei der Umsetzung von Regulierungen helfen. Der Staat sollte mutig vorangehen und entsprechende Konzepte entwickeln.