INSM-Studie: Bürokratie wird zur Wachstumsbremse
Berlin – Eine aktuelle Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) zeigt, dass Bürokratiebelastung inzwischen zu einem zentralen Investitionshemmnis geworden ist. Die Mehrheit der Unternehmen investiere wegen der Bürokratie weniger in Deutschland.
Laut IfM-Studie fühlen sich zwei Drittel Unternehmen in Deutschland unverhältnismäßig stark von staatlicher Bürokratie belastet. Das ist eine Steigerung von 14 Prozentpunkten gegenüber einer ähnlichen Befragung 2018. Sämtliche bisherigen Bemühungen der Politik wie der KMU-Test im Gesetzgebungsverfahren, die „One-in-one-Out-Regel“ oder die diversen Bürokratieentlastungsgesetze werden von den Unternehmen nicht als spürbare Entlastungen wahrgenommen.
92 Prozent nahmen einen substanziellen Anstieg der Bürokratiebelastung über die letzten fünf Jahre hinweg wahr. Fast alle Unternehmen (knapp 97 Prozent) stört die große Anzahl an Gesetzen und staatlicher Vorschriften. Sie nehmen damit Bürokratie nicht nur unter dem Stichwort „Informations- und Berichtspflichten“ wahr, sondern als Summe freiheitseinschränkender Regulierungen. Das vorherrschende Gefühl der Unternehmer im Zusammenhang mit Bürokratie ist Wut (55 Prozent), gefolgt von Ohnmacht (42 Prozent) und Verwirrung (41 Prozent). Dabei wiegen für mehr als die Hälfte der Unternehmen (53 Prozent) diese „psychologischen Kosten“ durch Bürokratie schwerer als der Zeit- und Kostenaufwand. Nur vier von zehn Unternehmen gaben an, überhaupt alle Regelungen vollumfänglich zu erfüllen. Die Mehrheit der Unternehmen wendet bewusst einzelne Vorschriften nicht an oder ist sich zumindest unsicher, ob sie alle Vorschriften korrekt erfüllt. Die überwältigende Mehrheit der Unternehmen (80 Prozent) fühlt sich vom Staat kontrolliert, bei nur 9 Prozent überwiegt der Eindruck, der Staat vertraue ihnen.
Infolgedessen planen 58 Prozent aller befragten Unternehmen, zukünftig auf Investitionen in Deutschland zu verzichten. 18 Prozent erwägen wegen der Bürokratie verstärkt im Ausland zu investieren.
Studienleiterin Dr. Annette Icks vom IfM Bonn sieht darin „einen alarmierenden volkswirtschaftlichen Befund“:
„8 von 10 Unternehmerinnen und Unternehmern sehen durch die Bürokratiebelastung ihre Freude an der unternehmerischen Tätigkeit schwinden. Unsere Studie bestätigt, dass wir grundsätzlich weg von Befehls- und Kontrollansatz des Obrigkeitsstaates hin zu einem vertrauensbasierteren Ansatz kommen müssen.“
Wie die Studie zeigt, schneidet Deutschland bei den bürokratischen Belastungen insbesondere aufgrund der mangelnden Verwaltungsdigitalisierung im internationalen Vergleichen sehr schlecht ab. Anders verhält es sich in Großbritannien und den Niederlanden. In beiden Ländern finden sich laut der IfM-Studie sehr gute Beispiele für eine gelungene, innovative Transformation der Rechtsetzung und des Bürokratieabbaus. Beispielsweise werden dort Unternehmen und Wirtschaftsverbände viel früher und viel intensiver als in Deutschland in den gesamten Rechtsetzungsprozess einbezogen. In Großbritannien wird frühzeitig geprüft, ob eine geplante gesetzliche Regulierung überhaupt unbedingt nötig ist und nicht durch weniger belastende Alternativen ersetzt werden kann.
INSM-Geschäftsführer Thorsten Alsleben:
„Bürokratie entwickelt sich zum Standortnachteil Nummer Eins. Wenn die Politik jetzt nicht schnell und spürbar gegen Überregulierung vorgeht, wird das irreparable Schäden in unserer Volkswirtschaft verursachen.“
Das geplante Bürokratieentlastungsgesetz von Bundesjustizminister Buschmann sei zwar zu begrüßen, greife aber angesichts der dramatischen Befunde der Studie viel zu kurz:
„Es reicht nicht mehr, einzelne Paragrafen zu streichen, sondern die Politik muss komplett neu denken und strukturell Regulierung vermeiden und abbauen.“
Alles andere sei ein schädlicher Eingriff in die Freiheit des Marktes und greife die Grundidee der Sozialen Marktwirtschaft in der Substanz an. Konkret fordert Alsleben, dass Politiker und auch Beamte strategisch zu Bürokratievermeidung und -abbau verpflichtet werden müssten. Die Incentivierung von Ministerialbeamten sollten sich auch an erfolgreichem Abbau und an Vereinfachung von Regulierung orientieren. Gesetze sollten grundsätzlich ein Verfallsdatum von maximal fünf Jahren bekommen, und vor Ablauf der Frist muss die Wirkung evaluiert werden, um dem Bundestag Hinweise zu geben, ob die Regulierung so oder anders weiter erforderlich ist. Der Normenkontrollrat der Regierung soll weiterentwickelt werden zu einem unabhängigen Entbürokratisierungsrat des Bundestages, der stärkere Eingriffs- und Prüfrechte bekommt, der Eingaben von Bürgern und Unternehmen zu belastenden Regulierungen sammeln und bewerten und der regelmäßig vor dem Parlament die Wirkung von Bürokratie und den Stand des Bürokratieabbaus darstellen soll.