Ein politischer Mindestlohn beschneidet die Tarifautonomie
Eine Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro würde dreimal stärker in das Tarifsystem eingreifen als die Einführung des Mindestlohns 2015 und rund ein Fünftel aller Tarifgruppen betreffen. Um Arbeitsplatzverluste zu vermeiden, wären zudem Lohnsubventionen nahezu unumgänglich.
In Frankreich kostet ein vergleichbares System jährlich rund 23 Milliarden Euro (1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts). Auf Deutschland übertragen entspräche das rund 33 Milliarden Euro. Eine Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) ergab, dass sich das deutsche System der Mindestlohnkommission mit ihrer Orientierung an der Tariflohnentwicklung bewährt habe. Bisher konnten der Druck auf das Tarifgefüge gemeistert und dadurch größere Beschäftigungsverluste vermieden werden. Ganz anders sähe es aus, würde sich Arbeitsminister Hubertus Heil mit seinem Wunsch durchsetzen, den Mindestlohn auf 60 Prozent des mittleren Lohns anzuheben und an dessen künftige Entwicklung zu koppeln.
„Angesichts der Schwere des Eingriffs in die Tarifverträge liefe das im Ergebnis auf eine politische Lohnsetzung hinaus. Die Tarifautonomie würde für weite Teile der Beschäftigten ihr Primat gegenüber der Politik einbüßen“,
so Studienleiter Dr. Hagen Lesch.
INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr warnt von dem Wechsel zu einem politischen Mindestlohn.
„Die Arbeit der Mindestlohnkommission hat sich bewährt und dafür gesorgt, dass der Umfang der Beschäftigungsverluste geringer als befürchtet ausgefallen ist. Die Tarifparteien kennen die Spielräume für Lohnerhöhungen. Und deren Grenzen. So nähme die Kopplung des Mindestlohns an die Entwicklung des Medianeinkommens keine Rücksicht auf den preissensiblen Bereich der Einstiegsgehälter. Die Einführung des Mindestlohns ist dank eines durch die Agenda 2010 gefestigten Arbeitsmarktes sowie eines anhaltenden Wirtschaftsbooms besser geglückt als befürchtet; es wäre aber töricht zu glauben, dass eine erhebliche Verschärfung genauso glimpflich über die Bühne geht.“