Zum Wohle der Umwelt und der Steuerzahler: Bürokratieabbau jetzt! 

Wäre Bürokratie eine Sportart, würde Deutschland ziemlich zuverlässig stets weit oben in der Tabelle stehen. Der Nationale Normenkontrollrat hat den laufenden Erfüllungsaufwand in seinem aktuellen Jahresbericht für alle Normadressaten (Wirtschaft, Verwaltung und Bürger) auf insgesamt 26,8 Mrd. Euro im Berichtszeitraum 2022/2023 beziffert – ein absoluter Rekord.

Selbstverständlich ist ein gewisses Maß an Bürokratie auch Ausdruck funktionierender Rechtsstaatlichkeit. Die Tatsache, dass jede Verordnung aber immer auch ein Stück Freiheitsverlust bedeutet und dadurch Tat- und Innovationskraft hemmt, ist jedoch die Schattenseite der Bürokratie. Beide Aspekte müssen richtig austariert sein.

Seien es Kostenexplosionen durch vielzählige Auflagen, zeitliche Verzögerungen durch langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren oder die ressourcenkostende Erfüllung von Dokumentations- und Berichtspflichten: der Hemmschuh Bürokratie sitzt in Deutschland sehr fest.

Ablesbar wird das auch an der nach wie vor wichtigsten Ressource, um den Bürokratiemotor am Laufen zu halten: Papier. Insbesondere in Politik und Verwaltung ist Papier nach wie vor das zentrale Medium. Das ist nicht nur ein Ausdruck der schleppenden (Verwaltungs-)Digitalisierung, sondern verursacht obendrein hohe Kosten – sowohl monetäre Kosten als auch Umweltkosten.

„Wäre Bürokratie eine Sportart, würde Deutschland ziemlich zuverlässig stets weit oben in der Tabelle stehen.“

Die Papierflut der Regierung

Im Jahr 2017, als in Estland das sogenannte X-Road-System zur Vernetzung der Behörden bereits seit gut 15 Jahren existierte und zu einer massiven Einsparung von Papier geführt hat, wurden von der Bundesregierung und ihren nachgeordneten Behörden rund 1,2 Mrd. Blatt Papier verbraucht. 2022, nachdem auch durch die Coronapandemie hierzulande ein umfangreicher Digitalisierungsschub ausgelöst wurde, waren es immer noch mehr als 750 Mio. Blatt Papier (DIN A4- und DIN A3-Format), was bei einer Papierdicke von 0,1 Millimeter rund 75 Kilometer Papier, also ungefähr der Fahrtstrecke von Bonn nach Düsseldorf, entspricht.

Diese Entwicklung des Papierverbrauchs zeigt, dass ergriffene Maßnahmen der Bundesregierung durchaus Wirkung zeigen. So zum Beispiel ein Kabinettsbeschluss aus dem Jahr 2019, der besagte, dass Bundesbehörden ab dem 1. Januar 2020 ausschließlich elektronisch kommunizieren sollen. Auch nach § 12 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien ist vorgesehen, dass in den Arbeitsabläufen elektronische Verfahren „so weit wie möglich zu nutzen“ sind. Nicht zuletzt ist das „Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit“ zu nennen.

So war es beispielsweise bis vor wenigen Jahren auch noch selbstverständlich, dass die Bundesregierung ihre periodisch erscheinenden Berichte dem Deutschen Bundestag in hybrider Form, d. h. vorab als digitale Variante und anschließend als gedruckte Fassung, übersendet hat – und zwar jedem Abgeordneten. Das galt auch für den mittlerweile mehr als 3.000 Seiten umfassenden Bundeshaushaltsplan. Seit nunmehr zwei Jahren wird hier auf Digitalisate gesetzt.

Die Reduktion des Papierverbrauchs von 2017 zu 2022 um 37,5 Prozent stellt also insgesamt einen Fortschritt dar. Es sind jedoch weitere Maßnahmen nötig, um die Effizienz des Regierungshandelns zu steigern und Kosten zu minimieren. Denn der weiterhin hohe Verbrauch von mehr als 750 Mio. Blatt Papier zeigt: Hier ist noch sehr viel Luft nach oben.

Die Kosten der Papierflut

Weitere Einsparpotenziale sollten also gehoben werden, denn Papierverbrauch verursacht hohe Kosten. Das demonstriert nicht zuletzt die Stadt Potsdam. Die Stadtverwaltung konnte ihren Papierverbrauch von 2017 zu 2023 zwar um 85 Prozent senken (von 45 Mio. auf 7 Mio. Blatt Papier). Dennoch sind im gleichen Zeitraum die Ausgaben für die Beschaffung des Papiers um rund 70 Prozent gestiegen – von 65.000 Euro auf 110.000 Euro.

Das ist angesichts der Entwicklung des Erzeugerpreisindex von Papier, wie sie in der folgenden Abbildung dargestellt wird, auch kaum verwunderlich.

Abbildung 1: Erzeugerpreisindex für Papier, weder gestrichen noch überzogen, 2015 bis 2023 (Basisjahr 2015 = 100)

  • Quelle: Eigene Darstellung nach Die Papierindustrie e. V.

Damit wird auch klar: Bei der aktuellen Preisdynamik sind selbst relativ hohe Einsparungen im Papierverbrauch mit höheren Ausgaben zulasten der Steuerzahler verbunden. Nach aktueller Preislage würde die Bundesregierung ceteris paribus 10 bis 12 Mio. Euro für ihren Papierverbrauch pro Jahr ausgeben.

Allerdings sind die Steuerzahlerkosten nur eine Seite der Medaille. Eingepreist werden müssten auch die Umweltkosten, die durch die Herstellung von Papier verursacht werden. Dazu zählen die Abholzung von Wäldern, der Energie- und Wasserverbrauch sowie die Treibhausgasemissionen bei der Herstellung und dem Transport des Papiers.

Papierloses Arbeiten und Bürokratieabbau müssen Hand in Hand gehen

Diese Kosten können nachhaltig reduziert werden, wenn die Politik einen radikalen Schwenk zum papierlosen Arbeiten macht. Ein zentrales – und altbekanntes – Werkzeug dafür: Digitalisierung. Es liegt auf der Hand, dass durch die Umstellung von analogen zu digitalen Prozessen Papier eingespart werden kann.

Zentraler Bestandteil regierungsseitiger Digitalisierung ist die Einführung der E-Akte in allen Ministerien und auf allen Ebenen. Dadurch können alle Dokumente eines Vorgangs digital erfasst und archiviert werden. Die Notwendigkeit physischer Kopien entfiele gänzlich. Zur vollständigen Umsetzung wäre es außerdem vonnöten, konsequent Medienbrüche zu vermeiden. Schreiben, die digital eingehen, müssen auch digital verarbeitet werden. Nach wie vor geschieht es allzu oft, dass Digitalisate zur weiteren Verarbeitung gedruckt und beispielsweise im Bundeskanzleramt durch das nach wie vor bestehende und 1,3 Kilometer umfassende Rohrpostsystem verschickt werden.

Die vollständige Digitalisierung von Regierungsprozessen wäre jedoch nur der halbe Weg, um den Papierverbrauch nachhaltig einzudämmen. Die durch die eingangs dargestellte überbordende Bürokratie verursachten Strukturprobleme wären damit aber nicht gelöst. Es wäre wenig gewonnen, würden die 750 Mio. Blatt Papier lediglich durch 750 Mio. PDF-Seiten ersetzt. Auch wenn sich die dargestellten Kosten dadurch senken ließen, Effizienzgewinne wären damit noch nicht realisiert. Bürokratieabbau und E-Government müssen also zusammengedacht werden.

Fazit: Papierverbrauch reduzieren – Bürokratieabbau forcieren

Der Papierverbrauch der Bundesregierung ist ein Zeichen mangelnder Effizienz und Nachhaltigkeit. Das führt nicht nur zu hohen Kosten für die Steuerzahler, sondern belastet obendrein die Umwelt. Es führt kein Weg an einer konsequenten Digitalisierung vorbei. Die vollumfängliche Umstellung auf die E-Akte und die konsequente Vermeidung von Medienbrüchen sind dabei unverzichtbare Schritte. Das allein reicht aber nicht: Es bedarf eines umfassenden und tiefgreifenden Bürokratieabbaus, um die Strukturen nicht nur in ein digitales Korsett zu pressen, sondern auch effizienter zu gestalten. Sonst würden die Probleme lediglich in eine digitale Form überführt, aber nicht gelöst werden.

Der hohe Papierverbrauch der Regierung ist also nur ein Symptom eines größeren Problems. Nur wenn auch die Verwaltungsprozesse grundlegend überdacht und verschlankt werden, mithin der Bürokratieabbau forciert wird, wird die Regierung auch ihrer Verantwortung gegenüber der Umwelt und den Steuerzahlern gerecht. Tabellenspitzenplätze sollte sie lieber der Nationalelf bei der kommenden Fußball-Europameisterschaft überlassen.

Literatur

Bundesregierung (2019): Entwicklung des Papierverbrauchs in Deutschland. Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Drs. 19/13658.

Bundesregierung (2021): Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit – Weiterentwicklung 2021. Nachhaltigkeit konkret in Verwaltungshandeln umsetzen.

Bundesregierung (2023): Nachhaltigkeit im Alltag der Bundesregierung. Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU. Drs. 20/9828.

Kramer, Heinrich (2024): Potsdamer Stadtverwaltung verbraucht deutlich weniger Papier. Tagesspiegel Online.

Nationaler Normenkontrollrat (2023): Jahresbericht 2023. Weniger, einfacher, digitaler. Bürokratie abbauen. Deutschland zukunftsfähig machen.

Autor:

Markus Kasseckert ist stellvertretender wissenschaftlicher Leiter und Referent für Haushaltspolitik am Deutschen Steuerzahlerinstitut des Bundes der Steuerzahler e. V.

Datum:
Themen:

Das könnte Sie auch interessieren