Wie die Bürokraten das fliegende Auto verhindert haben

Das fliegende Auto ist zentraler Bestandteil vieler Science-Fiction Utopien. Gleichzeitig steht es stellvertretend für die Erwartungen der Menschen des 20. Jahrhunderts an den technologischen Wandel der Zukunft. Die Zukunft ist jetzt und doch fliegen noch keine Autos durch unsere Städte. Das liegt jedoch nicht an technologischen Parametern oder einem zu kleinen Markt. Vielmehr ist die Geschichte des Scheiterns des fliegenden Autos auch eine Geschichte von Regulierungen und Bürokratie.

Aus Ridley Scotts Science-Fiction Klassiker „Blade Runner“ ist es nicht wegzudenken, ebenso wenig wie aus Luc Bessons „Das 5. Element”. Und auch in Deutschland ist das fliegende Auto spätestens seit Bully Herbigs „(T)Raumschiff Surprise“ elementarer Bestandteil des Science-Fiction Kosmos. In den Romanen der berühmte Science-Fiction Autoren der 1960er wie Isaac Asimov, Arthur C. Clark, und Robert Heinlein gibt es viele technische Gadgets, die aus damaliger Perspektive revolutionär erschienen. In den Werken werden beispielsweise folgende Technologien für das frühe 21. Jahrhundert prophezeit:

  • Mondstationen
  • Mobile Telefone
  • Übersetzungsmaschinen
  • Selbstfahrende Vehikel
  • Künstliche Intelligenz
  • Fliegende Autos

Viele dieser technologischen Neuerungen wie Smartphones oder Übersetzer haben bereits den Weg aus den Laboren in den Alltag der Menschen gefunden. Das zeigt, dass die gezeichneten Utopien in den Science-Fiction Romanen sind nicht nur fantastische Hirngespinste sind, sondern auch die Ambitionen und Erwartungen einer Generation an den technischen Fortschritt und dessen Einfluss auf die Lebenswelten der Zukunft manifestieren. Während wir uns mittlerweile mühelos in Sekundenschnelle mit Menschen aus der gesamten Welt digital verbinden können, ist das massenhaft verfügbare fliegende Auto weiterhin Zukunftsmusik. Oder wie es der PayPal Gründer Peter Thiel ausdrückte: “We wanted flying cars. Instead, we got 140 characters.”

Doch warum eigentlich? In dem Buch „Where is my flying Car?” geht der Ingenieur und Nanotechnologie-Gründer John Storrs Hall dieser Frage nach und stößt auf verblüffende Erkenntnisse. Weder fehlende Technologie noch ein zu kleiner Markt sind der Grund, warum der Individualverkehr im 21. Jahrhundert primär auf Straßen stattfindet. Vielmehr ist das Scheitern des fliegenden Autos eine Geschichte von regulatorischer und bürokratischer Überbelastung, und einem gesellschaftlichen Selbstverständnis, das Sicherheit über wirtschaftliche Innovation stellt.

Die fliegenden Autos des 20. Jahrhunderts

Entgegen der weitverbreiteten Auffassung, dass fliegende Autos erst mit dem Beginn des 21. Jahrhunderts technisch möglich gewesen wären, gab es bereits in den 1930er erste Prototypen von fliegenden Autos. Die fliegenden Autos des 20. Jahrhunderts lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: Convertibles und VTOLs. Convertibles sind voll funktionsfähige Autos, welche durch schnelle Montage von Flügeln zu Flugzeugen ummontiert werden könnten. Convertibles brauchen allerdings, ähnlich wie Flugzeuge, eine lange Landebahn zum Landen und Abheben. Das ConvAirCar 118 beispielsweise bestand aus einem regulären Auto, an das einfach Flügel montiert wurden (Bild 1). Es machte seinen Jungfernflug 1946.

  • Das ConvAirCar 118 (Bildquelle: Wikimedia Commons)

VTOLs („Vertikal Take-Off and Landing“) auf der anderen Seite sind helikopterähnliche Vehikel mit Rotoren, die aus dem Stand aus vertikal nach oben abheben können. Das von Pitcairn Autogiro entwickelte Modell AC-35 konnte beispielsweise auf der Straße bis zu 40 Km/h fahren, und dann einfach seine Rotoren ausklappen und auf Parkplätzen abheben. Bereits 1936 machte es seinen Jungfernflug.

  • Das Pitcairn Autogiro AC-35 (Bildquelle: Wikimedia Commons)

Die Entwicklung und erste Testung von VTOLs und Convertibles begannen in den 1930er Jahren. Richtigen Aufwind bekam der Marktfür private Flugzeuge erst nach dem Zweiten Weltkrieg.

Ein vielversprechendes Projekt war das von Robert Edison Jr. designte Convertible „Fulton Airphibian“. 1950 gab es bereits 4 Prototypen, die 100.000 Flugmeilen in der Luft absolviert hatten. Das ist immerhin fast 25 mal die Flugstrecke von Berlin nach Washington. Sein wohl größter Konkurrent war das von Moulton Taylor gebaute Aerocar Model 1, deren sechs Prototypen insgesamt 5.000 Flugstunden und 320.000 Kilometer auf der Straße zurücklegten. Das Autogiro von Pitcairn sowie das ConvAirCar 118 waren weitere vielversprechende Prototypen. An den technologischen Parametern scheiterte es also bereits in den 1940ern nicht. Gleichzeitig stieg auch die Nachfrage nach Flugvehikeln stark an: Im Jahr 1946 wurden 35.000 nicht-militärische Flugzeuge verkauft, ein neuer Rekord.

Doch die Behörden waren zu diesem Zeitpunkt der Idee von fliegenden Autos gegenüber bereits skeptisch eingestellt. Zum einen war die Befürchtung groß, dass massenhafter privater Flugverkehr die zentrale Flugüberwachung überfordern würde. Andererseits herrschte eine generelle Skepsis darüber, ob die hohe Komplexität eines Flugzeugs die Fähigkeiten der privaten Hobby-Piloten nicht übersteigen würden. Der Testpilot Ruben Snodgrass verwechselte beispielsweise bei einem Testflug eines fliegenden Autos die Tankanzeige von Flugzeug und Auto, was zum Absturz der Maschine führte. Beide dieser Bedenken adressieren wichtige Probleme des privaten Flugmarkts. Doch anstatt den Entwicklern mit Konzepten aus „regulatory sandboxes“ (z.B. Testphasen oder Testmärkte) entgegenzukommen, ließ man die kommerzielle Zulassung dieser Flugzeuge über die allgemeine Flugzulassungsbehörde in den USA laufen. Die Hersteller von fliegenden Autos mussten also nicht nur die gesetzlichen Anforderungen bezüglich Umwelt-, Lärm-, Flugsicherheit-, und Zertifizierung im Flugverkehr beachten, sondern gleichzeitig die Sicherheitsstandards für Autos. Das Aerocar III erfüllte beispielsweise alle nötigen Auflagen für die Zertifizierung als Flugzeug, aber nicht alle für die Zertifizierung als Auto. Der komplexe Zulassungsprozess sowie die vielfältigen gesetzlichen Anforderungen für private Flugzeuge bietet somit geringe Anreize für die Entwicklung neuer Flugzeugtypen, was zu dem außergewöhnlich hohen Durchschnittsalter von 40 Jahren der meisten privaten Flugzeuge führt.

Gleichzeitig betrachteten die Regulatoren fliegende Autos als gesetzlich ähnlich zu großen Privatjets. Das implizierte, dass Piloten von fliegenden Autos den gleichen Pilotenschein wie Privatpiloten erwerben mussten. Diese Privat Pilot Licence (PPL) kostet aktuell rund 13.000€ und erfordert 130 theoretische und 45 praktische Flugstunden. Diese hohen finanziellen und zeitlichen Anforderungen an den Piloten ließen den Traum vom massenhaft verfügbaren fliegenden Auto zunächst verstummen. Erst im Jahr 2004 wurde mit der Kategorie der leichten Sportflugzeuge eine gesetzliche Grundlage geschaffen, die die Anforderungen für Privatpiloten mit leichteren und kleineren Maschinen herabsetzt. Für eine Lizenz für leichte Sportflugzeuge benötigt man aufgrund der geringeren Komplexität sowie des leichteren Gewichts nur 20 Flugstunden.

Aufgrund der schlechten regulatorischen Aussichten auf eine Zulassung verließen Robert Edison Jr. seine Geldgeber, und das Airphibian wurde nie massenhaft gebaut. Sein Konkurrent Moulton Taylor, der 1975 mit Ford in Verhandlungen über die Produktion eines fliegenden Autos war, erlitt ein ähnliches Schicksal. Taylor selbst betonte, dass es nicht an den technischen Voraussetzungen der Massenproduktion scheiterte, sondern lediglich an der Dichte an Regulierungen. John Storr Hall kommt ebenso zu diesem Fazit: Der Grund, weswegen wir aktuell noch keine fliegenden Autos haben, ist ein politischer, kein technologischer.

Fortschritt ist eine politische Entscheidung

Tatsächlich steigt die Anzahl der Richtlinien in der Luftfahrt in den USA seit 1949 kontinuierlich – und zwar in vielerlei Hinsicht. Mittlerweile wird nicht nur reguliert, wer wo wann welches Flugvehikel befördern darf, sondern auch wer überhaupt qualifiziert ist, die Dokumentation über Reparaturarbeiten abzulegen. Das Federal Aviation Regulation Information Manuel, welches jeder neue Privatpilot in den USA kennen muss, hat mittlerweile immerhin 1066 Seiten. 1995 waren es noch 695.

Obwohl Bürokraten keine schlechten Intentionen haben und viele der Regulierungen valide Probleme betreffen, lähmen überbürdende staatliche Regulierungen das wirtschaftliche Wachstum. Die Ökonomen John Dawson und John Saeter fanden heraus, dass das amerikanische Median-Haushaltseinkommen im Jahr 2013 um ca. 250% größter wäre, wenn man die Anzahl der Regulierungen auf dem Niveau von 1949 belassen würde. In Bezug auf den Flugmarkt ist nicht zu bestreiten, dass einige der Regulierungen das kommerzielle und private Fliegen sicherer gemacht haben. Aber bei einem Vergleich der Kosten und Nutzen dürfen auch die Kosten der Regulierungen nicht vergessen werden.

Neben den erhöhten Eintrittsbarrieren für Marktteilnehmer haben Regulierungen noch einen weiteren Nebeneffekt. Der Anstieg an Anforderungen für Fertigungsteile und dazugehörige Produkthaftpflichtversicherungen in den 1970er Jahren in den USA führte dazu, dass es zwischen privaten Luftfahrtunternehmungen zu immer teureren Gerichtsprozessen in den 1970er bis 1980er Jahren kam. Entsprechend flossen die Kosten der Flugzeugunternehmen statt in die Entwicklung in teure Anwälte. Die russische Firma Cessna führt Gerichtskosten sogar als einen der Gründe für ihren Niedergang an. Durch den gestiegenen Sicherheitsstandard und die Gerichtsprozesse stiegen auch die Kosten zur Herstellung von privaten Flugzeugen stetig an. Während 1980 eine brandneue Cessna Skyhawk rund 25.000 USD kostete, kostet selbiges Flugzeug heute neu 400.000 USD. Selbst inflationsbereinigt ist das ein Anstieg der Kosten um 200%.

So what? Wie Innovation funktioniert

Doch warum beschweren wir uns eigentlich? Es gibt mittlerweile eine extrem sicheren kommerziellen Flugmarkt und leistungsfähige Autos sind für fast jedermann erschwinglich. Welches Problem löst dann noch ein fliegendes Auto? Insbesondere Gegner der fliegenden Autos führen an, dass diese eine teure Spielerei für Reiche wären, die damit die monatliche Reise von München-Bogenhausen nach Sylt ohne irgendeinen Kontakt zum Plebs vollziehen könnten.

Als die ersten kommerziellen Flugreisen angeboten wurden, waren diese primär für wohlhabende Unternehmer gedacht. Dass man heute für den Preis eines Big-Mac-Menüs am Flughafen von Berlin nach Mallorca fliegen kann, schien damals nicht möglich. Warum sollte es für den Ottonormalverbraucher also nicht möglich sein, nachmittags für einen Kaffee mit Freunden die Stunde von Berlin nach München zu fliegen und am Abend wieder zurückzukehren? Das fliegende Auto würde Reisen ermöglichen, die wir aktuell nicht für denkbar halten würden.

In Amerika ist man dieser Option bereits nähergekommen: Das Startup Alef beispielsweise will mit assistierter Steuerung ein voll elektronische EVTOL auf den Markt bringen, das auch Privatleute ohne Pilotenschein fliegen können. In Europa sieht es für den privaten Luftverkehr dagegen schlechter aus. Vielversprechend erscheinen hier eher private Flugtaxiunternehmen wie Volocopter oder Lilium, bei denen ein ausgebildeter Pilot das Fahrzeug steuert. Allerdings scheitert man auch hier noch an den Zulassungsverfahren: Da es sich bei den VTOLs um neuartige Flugobjekte handelt, gibt es noch keine Präzedenzregulierungen.

Fazit

„Wenn man fliegende Autos haben möchte, darf man unternehmerische Bestrebungen nicht wegregulieren.“

Die Geschichte des fliegenden Autos zeigt exemplarisch, welche technologischen Neuerungen heutzutage nicht massenhaft erhältlich sind, weil deren Entwicklung Jahre zuvor verhindert wurde. Auch heutzutage zeigt sich in Industrien wie Kaltfusion oder Künstlicher Intelligenz das Bestreben, regulieren zu wollen, bevor die Industrie überhaupt ihr Potential entfalten konnte. So wird das nichts mit dem Traum, einmal spontan mit dem fliegenden Auto in einer Stunde von Berlin nach München zu fliegen.

Autor:

Alexander Albrecht hat in Erfurt und London politische Ökonomie studiert. Er ist Lehrbeauftragter für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin und Head of Communication bei Prometheus – Das Freiheitsinstitut.

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