Weniger Bürokratie für den Mittelstand?

Diese Woche wird das Bürokratieentlastungsgesetz im Bundestag beraten. Kann das Gesetz Unternehmen von bürokratischen Auflagen und Pflichten entlasten oder bleibt es ein Papiertiger?Verfahren, Regelungen und Vorschriften bestimmen den Kontakt von Unternehmen mit der öffentlichen Hand. Diese Bürokratie erfasst alle Unternehmen, und sie wird eher mehr als weniger. Aus diesem Grund beschäftigt sich der Bundestag auch in dieser Woche wieder in zweiter und dritter Lesung mit dem geplanten „Gesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie (Bürokratieentlastungsgesetz)“. Ziel ist es, die Bürokratie besonders für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu reduzieren, damit sie mehr Raum haben, ihrer eigentlichen Tätigkeit nachzugehen.

Warum gerade dieses Ziel? Kleine und mittlere Unternehmen stehen in Bezug auf die zahlreichen zu beachtenden Vorschriften und Regeln vor besonderen Herausforderungen, seien es steuerliche Vorschriften, Bilanzierungspflichten oder Dokumentationspflichten. Aufgrund ihrer geringen Größe fehlen ihnen in vielen Fällen die Ressourcen, um den Bürokratieaufwand problemlos bewältigen zu können. Stattdessen empfinden sie Bürokratie als ausgesprochene Belastung. So gaben 2015 in einer Unternehmensbefragung 92 Prozent der befragten KMU an, ihre Belastung durch Bürokratie sei sehr hoch oder hoch. Mehr als zwei Drittel der Unternehmen vertraten sogar die Ansicht, der Aufwand für die Einhaltung der Vorschriften sei in den vergangenen zwölf Monaten gestiegen. Gleichzeitig stellen KMU mehr als 99 Prozent aller Unternehmen und 57 Prozent der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung. Es ist also sehr sinnvoll, gerade KMU zu entlasten.

Aber kann das geplante Gesetz dieses Ziel erfüllen? Inhaltlich besteht das Bürokratieentlastungsgesetz vor allem aus der Anpassung von Schwellen für die Meldepflichten statistischer Angaben und für Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten sowie aus steuerrechtlichen Anpassungen. Beispielsweise werden Grenzbeträge für Umsatz und Gewinn um jeweils 20 Prozent auf jeweils 60.000 bzw. 600.000 Euro angehoben, wovon etwa 140.000 Unternehmen profitieren. Laut Bundesregierung wird es Unternehmen um insgesamt 744 Millionen Euro im Jahr entlasten. Alles in allem ist davon auszugehen, dass die geplanten Änderungen vor allem Gründern und kleinen Unternehmen zugutekommen. Es bleibt abzuwarten, wie viele Unternehmen am Ende tatsächlich profitieren können und ob sich wirklich Entlastungen in einer solchen Höhe realisieren lassen. Angesichts der eher vorsichtigen Anpassungen zu Verringerung der bestehenden Bürokratie entsteht allerdings der Eindruck, dass mit diesem Gesetz eine Chance vertan wird.

Bereits fest beschlossen zum 1. Juli 2015 ist die sogenannte „One in, one out“-Regel. Sie besagt, dass neue Bürokratiebelastungen innerhalb des gleichen Kalenderjahres durch den Abbau von Belastung in gleicher Höhe ausgeglichen werden müssen. Die Idee dahinter ist gut: Auf diese Weise kann zumindest ein Anstieg der Belastung der Unternehmen verhindert werden. Problematisch an der neuen Regel ist jedoch, dass sie die im ersten Halbjahr 2015 bereits zusätzlich angestoßene Bürokratie nicht einbezieht. Dazu gehört vor allem der Mindestlohn, der Unternehmen durch die umfassenden Dokumentationspflichten zusätzlichen Aufwand in erheblichem Maße beschert. Damit signalisiert die Bundesregierung schon zur Einführung der „One in, one out Regel“, wie ernst sie es mit dem Bürokratieabbau wirklich meint. Für KMU kann die „One in, one out“-Regel damit zunächst einmal nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein.

Keinen Ökonomen-Blog-Post mehr verpassen? Folgen Sie uns auf Facebook, Twitter, abonnieren Sie unseren RSS-Feed oder unseren Newsletter.

Autor:

Dr. Vera Demary ist Leiterin des Kompetenzfelds Strukturwandel und Wettbewerb beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln.

Datum:
Themen:

Das könnte Sie auch interessieren