Weekender-Themen: Rente, Sondervermögen, Getreide, Hartz IV, Gender-Pay-Gap

Jeden Freitag empfiehlt der Weekender fünf Vertiefungen zu wirtschaftspolitisch interessanten wie relevanten Themen.

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Länger arbeiten – Wer in Deutschland die Rente mit 70 fordert, der verabschiedet sich danach besser in den Urlaub und schaltet seine Social-Media-Accounts stumm. Dabei wird, wer die Grundrechenarten beherrscht, gegen die Forderung kaum etwas einwenden können, dass die Deutschen in Zukunft länger arbeiten müssen. Wir werden immer älter, und es fangen jetzt, die Baby-Boomer-Jahrgänge an, in Rente zu gehen. In der Folge kippt das Verhältnis von Arbeitenden zu Nicht-Arbeitenden. Wenn aber die Arbeitenden (wie im Umlageverfahren der gesetzlichen Rente üblich) das Auskommen der nicht mehr Arbeitenden finanzieren, wird ebendiese Finanzierung zum Problem. Zum Glück sind Ökonomen bisweilen Mehrheitsmeinungen egal. Der Wirtschaftsforscher Gunther Schnabl hat diese Woche in der Bild-Zeitung die Rente mit 70 gefordert. Auch um die Inflation zu bekämpfen. „Das Renteneintrittsalter muss steigen. Deutschland hat schon heute ein riesiges Fachkräfteproblem, Hunderttausende Stellen sind unbesetzt“, wird Schnabl zitiert. Das führe dazu, dass unter anderem die Löhne in den nächsten Jahren kräftig steigen müssten und damit Waren und andere Leistungen noch viel teurer würden. 

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Sondervermögen ohne Tilgungsplan – Sondervermögen sind Ermächtigungen, Kredite aufzunehmen. Um die Bundeswehr besser auszurüsten, möchte die Bundesregierung ein solches Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro erhalten. Was die Regierung nicht sagt: wann und wie sie gedenkt, die Schulden wieder zurückzuzahlen. Der Kronberger Kreis, ein Zusammenschluss liberaler Wirtschafts- und Juraprofessoren, fordert genau das. Wie bei der Schuldenbremse auch, sollten die in Notsituationen getätigten Mehrausgaben an einen expliziten Tilgungsplan geknüpft werden. „Die Schuldenbremse zwingt den Gesetzgeber dazu, sich dieser Verantwortung zu stellen. Das geplante Sondervermögen sollte nicht zu einem Instrument werden, um dieser Verantwortung auszuweichen“, so der Kronberger Kreis in der FAZ

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Preisanstieg für Agrargüter – „Die Weltmarktpreise für Agrarrohstoffe wie Getreide und Pflanzenöle übersteigen schon seit Herbst 2021 die Hochpreisniveaus der Nahrungskrisen vor gut einem Jahrzehnt und haben mit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine nochmals angezogen“, schreibt im neuen Wirtschaftsdienst Thomas Glauben, Geschäftsführender Direktor des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklungen in Transformationsökonomien (IAMO) und Professor für Agrarökonomie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Die Nachricht dabei: „Trotz der angespannten Versorgungslage auf internationalen Märkten“, so Glauben, „ist gegenwärtig davon auszugehen, dass bis Ende 2022 angebotsseitig hinreichend Ware (global) verfügbar ist und diese auch weitgehend die Zielländer erreicht.“ Die Gründe: Russland hat seine Exporte über das Schwarze Meer wieder aufgenommen, die Ukraine fällt als Lieferant nicht vollständig aus, und andere Regionen, darunter die USA und Australien, werden die geringeren Lieferungen aus Russland und der Ukraine im Rest der laufenden Saison wohl weitgehend ausgleichen können. Die schlechte Nachricht: „Auch wenn keine fundamentalen angebotsseitigen Engpässe im Weltgetreidehandel für 2022 zu erwarten sind, dürften sich infolge des zusätzlichen Preisauftriebs die Versorgungslücken vor allem in der MENA-Region („Middle East and North Africa; Anmerkung der Redaktion) und in Afrika 2022 verschärfen.“

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Hartz-Sanktionsmoratorium – SPD, Grüne und FDP haben im Bundestag ein Gesetz beschlossen, das Sanktionen – also Leistungskürzungen – gegen arbeitsunwillige Hartz-IV-Bezieher weitgehend verbietet. Dietrich Creutzburg, FAZ-Wirtschaftskorrespondent in Berlin, schreibt dazu: „Das signalisiert eine Art doppelte Zeitenwende in der Sozialpolitik: Der 2005 von einer rot-grünen Koalition festgelegte Grundsatz des Förderns und Forderns wird ausgesetzt. Zudem stellt sich die aktuelle Koalition damit offen gegen arbeitsmarktpolitische Empfehlungen der Bundesagentur für Arbeit (BA); auch das ist neu.“ Die arbeitsmarktpolitische Empfehlung kam von Noch-BA-Chef Detlef Scheele. Der geht Ende Juni in Ruhestand. Nachfolgerin wird Andrea Nahles. Der Widerstand der Bundesagentur gegen das neue Gesetz könnte von kurzer Dauer sein. 

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Gender-Pay-Gap – Warum verdienen Frauen (immer noch) weniger als Männer? Kaum deshalb, weil sie unterschiedlichen Berufen nachgehen, sondern weil Frauen häufiger die Familie für die Karriere aufgeben. Das jedenfalls sagt die Ökonomin Claudia Goldin, die Jürgen Kaube im FAZ-Blog zitiert. Demzufolge gehen (in den USA) zwei Drittel des bestehenden Pay-Gaps auf Tätigkeiten in denselben Berufsfeldern zurück. Männliche Ärzte, Manager, Anwälte, Programmierer verdienten mehr als ihre weiblichen Kollegen. Aber nicht sofort. Kaube schreibt: „Vielmehr ist die erste Berufsphase nach dem College-Abschluss von größerer Gleichheit der Einkommen geprägt. Erst zehn Jahre später beginnen sich die Gehälter auseinanderzuentwickeln, und zwar bei akademisch ausgebildeten Personen noch stärker als im gesamten Arbeitsmarkt.” Der Grund dafür liege in der Aufteilung familiärer Arbeit. Kaube weiter: „Sobald Paare heiraten und Kinder bekommen, bleiben Frauen stärker auf Positionen, die ihnen die Vereinbarkeit des Berufs mit den Anforderungen der Erziehung und des Sichkümmerns erlauben. Ihre männlichen Kollegen hingegen ließen sich von der Berufsarbeit aufzehren. Goldin spricht von ‚greedy jobs‘, ‚gefräßigen Stellen‘, die größtenteils von Männern ergriffen werden, Jobs mit vielen Überstunden, Extraeinsätzen, Bereitschafts- und Wochenenddiensten.”  

Gute Kommentare, interessante Hintergründe – jeden Freitag präsentieren wir (Link zum Archiv) fünf Vertiefungen zu den wirtschaftspolitisch interessantesten und relevantesten Themen der Woche. > Keinen Blogpost verpassen

Autor:

INSM Redaktion Hier schreibt die Redaktion der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.

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