Weekender-Themen: belebende Wirtschaftspolitik, verspäteter Impfstoff, grüne Zentralbank, globale Mindeststeuer, wirtschaftender Staat

Jedes Wochenende empfiehlt der Weekender fünf Vertiefungen zu wirtschaftspolitisch interessanten wie relevanten Themen.

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Welche Politik braucht es nach Corona? Benötigen wir wirklich mehr Staat, wie mancher als Lehre aus der Pandemie zieht? Was dagegenspricht: Die Neuverschuldung in Deutschland beträgt mittlerweile 71 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und liegt damit elf Prozentpunkte über dem Vorkrisenniveau. Das spricht nicht für die Aufnahme weiterer Staatskredite. Christoph Schaltegger, Professor für politische Ökonomie an der Universität Luzern, und Ludger Schuknecht, ehemaliger stellvertretender Generalsekretär der OECD, schreiben in der Neuen Zürcher Zeitung: „Wir gehen davon aus, dass es nach Corona zu einer raschen konjunkturellen Belebung durch private Nachfrage und Konsum kommen wird. In der Krise ist die Sparquote der Haushalte überall massiv angestiegen, und es wäre merkwürdig, wenn danach nicht zumindest ein Teil des gesparten Geldes wieder für die schönen Dinge ausgegeben wird, die man lange Zeit entbehren musste. Ein weiterer fiskalischer Stimulus wird dann eher die Inflation als das Wachstum erhöhen und deshalb voraussichtlich bald nicht mehr nötig sein. Und weiter: „Es braucht nicht viel Mut, zu prognostizieren, dass die Rekordschulden und Rekordstaatsquoten vor allem der großen westlichen Volkswirtschaften früher oder später ein Problem werden.“ – Es spricht also manches dafür, nach Corona auf eine angebotsorientierte Wachstumspolitik zu setzen. 

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War die schlechte Impfstoff-Beschaffung der Europäischen Union ein einmaliges Versagen oder liegt dahinter ein systematisches Problem? Die Antwort von Chris Bickerton, Dozent an der Cambridge University, ist eindeutig: „Europe’s vaccine program failures have their roots in the institutional structure of the EU itself“, schreibt Bickerton in der New York Times. Das Problem: Ziele würden in der Europäischen Union häufig zu Mitteln degradiert. Beispiel 1: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hätte mit dem europäischen Impfstoff-Programm seine Kampagne gegen nationalen Populismus zu stärken versucht und gleichzeitig die heimische Pharmabranche gestützt (mit der französischen Firma Sanofi hatte die EU als eine der ersten einen Vertrag zum Kauf von Impfdosen geschlossen). Beispiel 2: Kleinere EU-Staaten hatten gehofft, durch den gemeinsamen Einkauf niedrigere Preise zu erzielen. Beispiel 3: Deutschland sah in der gemeinsamen Impfstoff-Strategie die Chance, den in der ersten Corona-Welle entstandenen Eindruck der nationalen Abschottung zu revidieren. Gute Politik aber, so der Politikwissenschaftler, hätte stattdessen einzig und allein eine Antwort auf die Frage gesucht, wer wie am besten schnell viel Impfstoff beschaffen kann. Das Ergebnis der Ziel-Mittel-Vertauschung: Impfdosen wurden von der EU, relativ zu den USA und Großbritannien, zwar günstig bestellt, aber die eigentliche Priorität (schnell und viel) vernachlässigt. Solange europäische Staatenlenker EU-Ziele weiter für ihre nationalen Interessen verwenden würden, schreibt Bickerton, so lange würden sich Fehler wie beim Impfstoff-Einkauf in Zukunft wiederholen.

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Eine grüne Zentralbank? – In der Eurokrise vor mehr als zehn Jahren war heftig die Frage diskutiert worden, wie weit die Kompetenzen der Europäischen Zentralbank (EZB) reichen. Mit ihrem „Whatever it takes!“ hatte sie ihr Mandat großzügig ausgelegt. Ähnlich könnte es nun auch beim Klimaschutz werden. Bei zukünftigen Anleihekäufen der EZB soll auch entscheidend sein, ob eine Anleihe „grün“ ist oder eben nicht. Wie daraus Zielkonflikte mit der Preisstabilität und der Bekämpfung von Inflation entstehen können, zeigen Volker Wieland, Hans Peter Grüner und Clemens Fuest in der FAZ auf.

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Aktuell verhandeln 140 Länder über eine globale Mindeststeuer. Ziel ist es, die Gewinnverlagerungen von global agierenden Unternehmen in Niedrigsteuerländern zu verringern. Das Ansinnen habe wenig Aussicht auf Erfolg, meint die Ökonomin Nadine Riedel von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im aktuellen Wirtschaftsdienst. Damit der Anreiz der Gewinnverlagerung deutlich reduziert würde, müssten die Regelungen strikt ausgestaltet sein, zum Beispiel mit einem Mindeststeuersatz von 21 Prozent, wie ihn US-Finanzministerin Janet Yellen vorschlage, so Riedel. Dann aber würden Niedrigsteuerländer nicht mitmachen. Mit einer Verlagerung der Firmensitze in nicht partizipierende Staaten würde dann die Mindeststeuer umgangen werden können. Alternativvorschlag der Professorin: Unternehmensbesteuerung an Faktoren knüpfen, die immobil sind, wie zum Beispiel an Kosument:innen und Eigentümer:innen.

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Die italienische Ökonomin Mariana Mazzucato gilt als einflussreich. Sie berät die linke US-Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez, Bill Gates und den Papst. Bei der Frage, was ist die Aufgabe des Staates, was die der Unternehmen, plädiert Mazzucato für mehr wirtschaftliche Aktivitäten des Staates. Dem widerspricht Monika Schnitzer, Volkswirtschaftsprofessorin an der Universität München, im Handelsblatt-Interview. Im Kern fehle dem Staat das Wettbewerbselement. „Die Erfahrung in den Planwirtschaften war deshalb oft, dass Produkte produziert wurden, die an den Bedürfnissen der Menschen vorbeigingen“, so Schnitzer im Gespräch mit Martin Greive. Und: „Die Geschichte der Staatsunternehmen oder Unternehmen mit Staatsbeteiligung ist, mit Ausnahme vielleicht von Airbus, keine Erfolgsgeschichte. Die Beteiligung an der Commerzbank in der Finanzkrise ist so ein abschreckendes Beispiel, bis heute hat der Staat seine Anteile nicht verkauft, weil dann die Verluste offensichtlich würden.“

Gute Kommentare, interessante Hintergründe – jeden Freitag präsentieren wir (Link zum Archiv) fünf Vertiefungen zu den wirtschaftspolitisch interessantesten und relevantesten Themen der Woche. > Keinen Blogpost verpassen

Autor:

INSM Redaktion Hier schreibt die Redaktion der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.

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