Update INSM-Bildungsmonitor: Alle Bundesländer schlechter

Bei der Veröffentlichung des diesjährigen INSM-Bildungsmonitors lagen noch nicht alle Daten vor. Mit der jetzigen Einarbeitung zeigt sich: Die Werte in allen Bundesländern sinken. Der größte Rückgang ist in Berlin, dem Saarland und in Brandenburg zu verzeichnen.

Der INSM-Bildungsmonitor, den das Institut der deutschen Wirtschaft für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft erstellt, misst seit dem Jahr 2004, in welchen Handlungsfeldern der Bildungspolitik Fortschritte erzielt werden konnten.

Dort zeigen sich in zentralen Handlungsfeldern wie der Schulqualität und der Integration zwischen dem Bildungsmonitor 2013 und dem Bildungsmonitor 2022 im Durchschnitt der 16 Bundesländer große Verschlechterungen.

Auch langfristig ist davon auszugehen, dass sich die Ergebnisse in den Handlungsfeldern Schulqualität, Bildungsarmut und Integration weiter verschlechtern. Hierauf deutet aktuell der IQB-Bildungstrend über die Kompetenzen von Viertklässlerinnen und Viertklässlern hin. Es zeigt sich, dass sich die durchschnittlichen Kompetenzen im Lesen und in Mathematik in den letzten Jahren verschlechtert haben, dass sich der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die die Mindeststandards erreicht haben, deutlich verringert hat und dass die soziale Selektivität der Bildungsergebnisse deutlich zugenommen hat.

„Die durchschnittlichen Kompetenzen im Lesen und in Mathematik haben sich in den letzten Jahren verschlechtert.“

Einzelne Indikatoren der IQB-Bildungsberichte gehen auch in den INSM-Bildungsmonitor ein. Zum diesjährigen Veröffentlichungszeitpunkt im August standen diese Daten noch nicht zur Verfügung. Werden nun die aktuell vorliegenden Bundesländer-Ergebnisse des IQB-Bildungstrends 2021 in den Bildungsmonitor 2022 eingearbeitet, so zeigt sich, dass der Punktwert in allen Bundesländern sinkt. Der größte Rückgang ist in Berlin, dem Saarland und in Brandenburg zu verzeichnen.

  • Nach dem Update des INSM-Bildungsmonitors 2022 zeigt sich: Thüringen, Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg haben sich nicht nur absolut, sondern auch relativ verschlechtert.

Die Zunahme der ungleichen Bildungschancen lässt sich zunächst auf eine unterschiedliche Unterstüzung des Elternhauses zurückführen. Viele Eltern haben in den letzten Jahren ihre materiellen und immateriellen Investitionen gesteigert, um ihren Kindern gute Startbedingungen und bestmögliche Zukunftschancen zu bieten. Damit stellt die Familie eine erste Quelle der Ungleichheit hinsichtlich des Bildungserfolgs der Kinder dar, denn nicht alle Eltern sind in gleichem Umfang in der Lage, ihre Kinder bestmöglich zu fördern.

Das Schulsystem sieht sich somit damit konfrontiert, dass die Kinder aufgrund ihrer unterschiedlichen Förderung in den Familien mit unterschiedlichen Leistungsständen in die Schule eintreten und auch während ihrer Schullaufbahn unterschiedlich stark durch ihre Familien unterstützt werden. Diese Herausforderung hat sich durch die Corona-Pandemie noch einmal verschärft.

Neben diesen von außen an das Bildungssystem herangetragenen Herausforderungen stellen sich weiterhin verschiedene Aufgaben innerhalb des Bildungssystems, um die Chancengerechtigkeit zu erhöhen. Hierzu gehört unter anderem die bessere Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund.

Der Anteil von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in den Schulen hat in den letzten Jahren stark zugenommen und damit auch der Anteil der Kinder und Jugendlichen, deren Haushaltssprache nicht Deutsch ist. Wiesen im Jahr 2011 die vierten Schulklassen noch einen Migrationsanteil von 24,7 Prozent auf, liegt dieser im Jahr 2021 schon bei 38,3 Prozent. Die drei Bundesländer mit den höchsten Anteilen an Kindern mit Migrationshintergrund sind Bremen, Baden-Württemberg und Berlin.

Es zeigen sich Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund bei der Nutzung der Bildungsangebote. So beträgt die Nutzungsquote von Betreuungsangeboten in Kindertagesstätten für 0- bis 3-jährige Kinder mit Migrationshintergrund 21 Prozent. Bei 0- bis 3-jährigen Kindern ohne Migrationshintergrund ist sie mit 43 Prozent mehr als doppelt so hoch. Zusätzlich werden die Kinder auch zu Hause unterschiedlich gefördert. Der Anteil von Kindern im vorschulischen Alter, die täglich vorgelesen oder Geschichten erzählt bekommen, ist in Familien, in denen Eltern über keine guten Deutschkenntnisse verfügen, unterdurchschnittlich gering. Nur 37,8 Prozent von ihnen werden durch tägliches Vorlesen geprägt, während dieser Anteil für Kinder ohne Migrationshintergrund mit 68,2 Prozent erheblich höher ausfällt.

Bildung der Eltern relevant

Weiterhin hat der Ressourcenhintergrund der Eltern einen wichtigen Einfluss auf die Kompetenzen der Kinder. Die Bildungsabschlüsse der Eltern spiegeln sich häufig in der Schulwahl und in den Bildungsabschlüssen der Kinder wider. Eng verbunden mit dem Bildungshintergrund sind die finanziellen Ressourcen einer Familie. Eltern mit hohen Bildungsabschlüssen verfügen in der Regel über höhere und sicherere Einkommen, womit sie ihre Kinder finanziell besser unterstützen können, zum Beispiel in Form von Nachhilfeunterricht. Die ungleichen Verhältnisse, in denen Kinder aufwachsen, führen zu ungleichen Zugängen zu bildungsrelevanten Ressourcen und legen damit den Grundstein für ungleiche Bildungsverläufe. Mit den pandemiebedingten Schulschließungen und der Verlagerung der schulischen Bildung in das häusliche Umfeld hat die Relevanz der familiären Ressourcenausstattung weiter zugenommen.

Digitale Bildung kann eine Chance für mehr Bildungsgerechtigkeit sein, stellt das bisherige Schulsystem jedoch auch vor erhebliche Herausforderungen. Digitale (Bildungs-)Medien können als niedrigschwellige, individuelle, zusätzliche Lernangebote Schulkinder mit Benachteiligungen fördern. Sie eröffnen einen Zugang zur (Bildungs-)Welt und können in Form unterstützender Technologien bei Bildungsaufgaben fördern.

Um dieses Potenzial zu nutzen, müssen jedoch die richtigen Rahmenbedingungen gegeben sein. Nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie zeigt sich jedoch, dass dies häufig noch nicht der Fall ist. Es sind weitere Verbesserungen hinsichtlich der Ausstattung der Schulen mit digitalen Medien sowie deren Nutzung vorzunehmen, um die digitalen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zu steigen.

Insgesamt ergeben sich verschiedene Handlungsfelder, um die Chancengerechtigkeit im Bildungssystem zu verbessern:

  • Maßnahmen, um die Integration zu fördern: Sprachförderung ausbauen, Ganztagsangebote erhöhen, Kita-Teilnahme erhöhen, Elternpartnerschaften/Familienzentren ausweiten
  • Maßnahmen, um den Zusammenhang zwischen Ressourcenhintergrund der Eltern und Bildungserfolg zu reduzieren: Qualität in Kindertageseinrichtungen und der Ganztagsangebote erhöhen, multiprofessionelle Teams ausweiten, zusätzliche Bildungsangebote nach Sozialindex finanzieren, Lehrmittelzuschüsse erhöhen, Förderprogramme, um die Corona-Lücken zu schließen, ausweiten
  • Maßnahmen, um die Digitalisierung voranzubringen: Digitale Ausstattung an den Schulen verbessern, digitale Ausstattung der Lehrkräfte verbessern, Konzepte für die Umsetzung der Digitalisierung verbessern, Unterstützung bei der IT-Administration ausbauen, Schulfach Informatik ausweiten, Evaluation der Weiterentwicklung digitaler Bildungsformen.

Dieser Blogbeitrag basiert auf der Studie „Bildungspolitische Impulse für mehr Chancengleichheit an Schulen“ von Dr. Christina Anger und Julia Betz.

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Autor:

Dr. Christina Anger leitet die Forschungsgruppe Mikrodaten und Methodenentwicklung beim Institut der deutschen Wirtschaft. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Bildung, Bildungsmonitor und die MINT-Arbeitsmarktberichterstattung.

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