Statt Strompreisbremse: Senkung der Stromsteuer und Umlagen

Die Strompreise in Deutschland sind im internationalen Vergleich hoch. Auch deswegen sollte die Politik besser dauerhaft und nicht nur temporär für günstigere Preise sorgen.

Steigen die Preise auf einem Markt stark an, löst das in der Politik häufig den Reflex aus, in die Preisbildung einzugreifen. Nach der Mietpreisbremse, dem Tankrabatt und der Gaspreisbremse soll nun auch noch eine Strompreisbremse kommen. Damit gemeint ist eine vergünstigte Abgabe einer noch unbestimmten Basismenge an Strom durch die Stromversorger. Damit der Anreiz zum Stromsparen über die Preissignale erhalten bleibt, soll für den Stromverbrauch oberhalb der Basismenge der Marktpreis gelten.

Nach einer von Bundesjustizminister Marco Buschmann getwitterten Beispielrechnung könnte diese Basismenge bei 75 Prozent des Durchschnittsverbrauchs der Haushalte liegen. Die Strompreisbremse könnte den Preis für den Basisverbrauch auf 30 Cent je Kilowattstunde (kWh) begrenzen. Familien mit zwei Kindern mit einem Stromverbrauch von 4.133 kWh pro Jahr würden bei einer vergünstigten Basismenge von 3.100 kWh nach dieser Beispielberechnung um 308 Euro im Jahr entlastet werden.

Ähnlich wie die Strompreisbremse soll im Übrigen die Gaspreisbremse funktionieren: Ab März 2023 sollen private Haushalte für 80 Prozent eines Grundkontigents an Gas einen Bruttopreis von lediglich 12 Cent je kWh inklusive Mehrwertsteuer bezahlen, anstatt des Marktpreises von mittlerweile bis zu 30 Cent; der Marktpreis soll für die übrigen 20 Prozent des Grundkontingents gelten, damit der Anreiz zum Gassparen erhalten bleibt. Das Grundkontingent soll bei 80 Prozent des Verbrauchs liegen, dem die Abschlagszahlung für September 2022 zugrunde lag.

Hohe Transaktionskosten durch Strompreisbremse

Ein großes Problem, sowohl für die Gas- als auch für die Strompreisbremse, sind die erwartbar hohen Transaktionskosten, die damit verbunden sein werden. So müsste der Staat bei der Strompreisbremse jedem einzelnen Stromversorger Entschädigungen für die vergünstigte Abgabe von Strom zahlen. Die Ermittlung der entsprechenden Entschädigungen würde sowohl bei den Stromversorgern als auch bei staatlichen Stellen einen hohen bürokratischen Aufwand und damit Zusatzkosten verursachen. Diese Zusatzkosten könnten in einem ungünstigen Verhältnis zum möglichen Nutzen der Strompreisbremse stehen. Hohe Transaktionskosten sind nicht zuletzt deshalb zu befürchten, weil neben Haushalten auch kleinere und mittlere Unternehmen in den Genuss der Strompreisbremse kommen sollen. Den jeweiligen Basisverbrauch für diese sehr heterogene Gruppe an Unternehmen zu ermitteln, dürfte ungleich schwieriger sein als im Fall der privaten Haushalte, bei denen sich die Basisstrommenge vor allem an der Zahl der Haushaltsmitglieder orientieren sollte.

Stromsteuer senken – Transaktionskosten vermeiden

Eine mit deutlich weniger Transaktionskosten verbundene Entlastungsmaßnahme wäre die Senkung der Stromsteuer. Diese könnte von aktuell 2,05 Cent je kWh auf das EU-weite Minimum reduziert werden, das für private Haushalte bei 0,1 Cent je kWh liegt. Dadurch ergäbe sich je Kilowattstunde eine Entlastung von 1,95 Cent – die Mehrwertsteuer, die auch auf die Stromsteuer erhoben wird, nicht mitgerechnet.

Die Stromsteuersenkung würde in unbürokratischer Weise allen Haushalten helfen, insbesondere auch den einkommensschwachen, die einen höheren Anteil ihres Einkommens für Strom ausgeben. Zudem würden dadurch auch die Unternehmen unterstützt, von denen viele wegen der hohen Energiepreise in Existenznöten sind. Zugleich würde durch die Stromsteuersenkung ein weiteres Problem gelöst: So müsste die deutsche Wirtschaft nicht ständig fürchten, dass die geltende Ausnahmeregelung bei der Stromsteuer für die stromintensive Industrie durch die Europäische Kommission aus beihilferechtlichen Gründen künftig nicht mehr genehmigt wird. Andernfalls wäre die internationale Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen gefährdet.

Seit Einführung des EU-Emissionshandelssystems im Jahr 2005 ist die Stromsteuer weitgehend redundant, da beide Instrumente, Stromsteuer und Emissionszertifikate, den Klimaschutz zum Ziel haben. Die Stromsteuer gehört daher schon längst auf das EU-weite Minimum reduziert — und zwar dauerhaft, um die Nachteile der Unternehmen in Deutschland im internationalen Wettbewerb zu verringern, ebenso wie die Belastungen der privaten Haushalte, die seit Jahren unter den höchsten Strompreisen in der Europäischen Union zu leiden haben. Mit einer temporären Strompreisbremse würden diese Belastungen nur vorübergehend gelindert, eine Doppelbelastung durch den EU-Emissionshandel und die Stromsteuer sollte aber grundsätzlich vermieden werden.

Steuern und Abgaben senken

Die Stromsteuersenkung würde einer Familie mit zwei Kindern mit einem Stromverbrauch von 4.133 kWh pro Jahr eine Ersparnis von knapp 100 Euro bringen, wenn man die Mehrwertsteuer mitberücksichtigt. Das ist deutlich weniger als im obigen Beispiel dargestellt. Daher sollte die Politik weitere Maßnahmen ergreifen, um die Verbraucher beim Strompreis substanziell zu entlasten, vor allem durch die Finanzierung sämtlicher Umlagen auf den Strompreis aus Steuermitteln, wie dies seit dem 1. Juli bei der EEG-Umlage zur Förderung erneuerbarer Energie bereits geschieht.

Die Entlastung der Stromverbraucher durch die Senkung der Stromsteuer und von Abgaben auf den Stromverbrauch wie der KWKG-Umlage zur Förderung der Kraftwärmekopplung ist aus mehreren Gründen ratsam. Erstens kann dadurch die sogenannte Sektorkopplung unterstützt werden, bei der zur Reduktion der Treibhausgasemissionen von Sektoren wie dem Verkehr und dem Gebäudebereich vermehrt grüner Strom eingesetzt werden soll. Zweitens würde die Senkung der Abgaben auf Strom einen Fehler im System bereinigen: Aus ökonomischer und verteilungspolitischer Sicht sollten nicht die Stromverbraucher – und damit im hohen Maße auch einkommensschwache Haushalte – für die Förderung von Maßnahmen wie der Kraftwärmekopplung oder den Aufbau der Netze zum Anschluss von Windparks in Nord- und Ostsee aufkommen, sondern die Steuerzahler. Dadurch würden stärkere Schultern stärker belastet und eine sozial ausgewogene Verteilung der Kosten wäre gewährleistet.

Im Klima- und Transformationsfonds stehen ausreichend Mittel bereit, um den Strompreis zu senken. Dieses staatliche Sondervermögen zur Finanzierung der Energiewende speist sich unter anderem durch Einnahmen aus dem Verkauf von Emissionszertifikaten und wird infolge der derzeit sehr hohen Strompreise weit weniger durch die Finanzierung der beseitigten EEG-Umlage belastet als ursprünglich gedacht. Finanzielle Mittel, um die Senkung der Stromsteuer, die seit ihrer Einführung am 1. April 1999 zur Senkung der Rentenversicherungsbeiträge verwendet wird, gegenfinanzieren zu können, sollten daher ausreichend vorhanden sein.

Um einkommensschwache Haushalte und in existenziellen Nöten befindliche Unternehmen darüber hinaus temporär zusätzlich zu entlasten, sollten diese gezielt mit Transfers seitens des Staates unterstützt werden. Eine Strompreisbremse, die, ebenso wie die Gaspreisbremse, alle Verbraucher unterstützen soll, könnte den Staat am Ende finanziell überfordern.

Stromangebot massiv erhöhen

Neben diesen Maßnahmen sollte man die Strompreise vor allem dadurch dämpfen, dass das Angebot am Strommarkt massiv ausgebaut wird, anstatt es noch weiter zu reduzieren. Kurzfristig ist es daher hilfreich, wenn die drei verbliebenen Kernkraftwerke über das Jahresende bis Mitte April 2023 weiter betrieben werden. Dass das Stromangebot durch den verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien erhöht wird, ist ebenfalls zu begrüßen.

Dennoch wird dieser auf absehbare Zeit allein nicht ausreichen, um die Stromversorgung zu sichern. Das hat die Bundesregierung klar erkannt und im Koalitionsvertrag auf Erdgaskraftwerke als Brückentechnologie gesetzt. Diese Brücke käme aktuell sehr teuer und erscheint derzeit als kaum in ausreichendem Maße realisierbar. Die Politik sollte daher unvoreingenommen eine technologieoffene Innovationsoffensive starten, die allen Technologien eine Chance gibt. Tabus, wie etwa beim Fracking-Verbot, sollten wir uns künftig nicht leisten.

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Autor:

Prof. Dr. Manuel Frondel ist außerplanmäßiger Professor für Energieökonomik und angewandte Ökonometrie an der Ruhr-Universität Bochum und Leiter des Kompetenzbereichs „Umwelt und Ressourcen“ am RWI.

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