Renten-Check: Was planen die Parteien im Falle einer Regierungsbeteiligung?
Ohne Renten-Reformen droht ein Anstieg des Beitragssatzes auf 22,1 Prozent im Jahr 2040 und weiter bis auf 23,6 Prozent im Jahr 2060. Was planen die Parteien dagegen zu tun? Ein Renten-Check.
Die umlagefinanzierte Alterssicherung steht vor gravierenden demografischen Herausforderungen. Mit der Alterung der geburtenstarken Jahrgänge wird bereits zur Mitte dieses Jahrzehnts der Rentnerquotient spürbar steigen. Dieser Anstieg wird sich dann über zwei Jahrzehnte fortsetzen und das Gleichgewicht in der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) auch für die folgenden Dekaden nachhaltig verändern.
Im aktualisierten „Generationencheck Deutschland – ein Generationenkontenmodell“ (.PDF) zur langfristigen Projektion rentenpolitisch relevanter Kennziffern im demografischen Wandel werden die Folgen sichtbar: Ohne Reformen droht ein Anstieg des Beitragssatzes auf 22,1 Prozent im Jahr 2040 und weiter bis auf 23,6 Prozent im Jahr 2060, selbst wenn im Gegenzug das Sicherungsniveau langfristig auf 45,8 respektive 44,4 Prozent sinkt.
„Die Frage ist: Wie kann die Finanzierung umlagefinanzierter Rentenansprüche nachhaltig gesichert und die Finanzierungslast generationengerecht aufgeteilt werden?“
Auch wenn diese Zahlen keine Prognose darstellen, ist der Trend doch unumstritten, im Vergleich zu anderen Studien fallen die Werte annahmebedingt sogar noch vergleichsweise günstig aus. Die Rentenpolitik künftiger Bundesregierungen muss deshalb auf zwei Fragen antworten: Wie kann die Finanzierung umlagefinanzierter Rentenansprüche nachhaltig gesichert und die Finanzierungslast generationengerecht aufgeteilt werden?
In den Wahlprogrammen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD wird eine dauerhafte Fixierung des Sicherungsniveaus bei 48 Prozent gefordert, DIE LINKE postuliert sogar ein Rentenniveau von 53 Prozent. Dieses Leistungsversprechen würde zusätzliche Finanzierungserfordernisse provozieren, die die ohnehin fragile intergenerative Balance zusätzlich belasten. Die dadurch zusätzlich zu finanzierenden Aufwendungen steigen bis zum Jahr 2060 auf 0,64 Prozentpunkte des jährlichen BIP, insgesamt wären dann fast 13 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung allein für gesetzliche Renten und Pensionen aufzubringen. Nach geltendem Rentenrecht müsste der Beitragssatz dazu bis auf 25,2 Prozent im Jahr 2060 klettern.
Gleichzeitig vermeiden Bündnis 90/Die Grünen und SPD eine klare Aussage zur Weiterentwicklung der Regelaltersgrenze nach 2030. Die Grünen bekennen sich zur „Rente mit 67“ und wollen gleichzeitig die Erwerbsbeteiligung fördern. So dies gelingt, ließen sich die Folgen eines steigenden Rentnerquotienten in der umlagefinanzierten Alterssicherung zwar mildern, mit einer weiteren Anhebung der Regelaltersgrenze und einer erfolgreichen Integration älterer Personen in das Erwerbsleben gelänge dies aber unmittelbar.
Europäische Nachbarländer wie Dänemark oder die Niederlande haben diesen Schritt längst vollzogen. Stattdessen möchte die Partei DIE LINKE das Rad sogar zurückdrehen und die Regelaltersgrenze senken. Die im Umlageverfahren angelegte intergenerative Lastverschiebung würde damit sogar verschärft.
Alle drei Parteien sprechen sich dafür aus, die GRV zu einer Erwerbstätigenversicherung auszuweiten. Eine nachhaltige Lösung intergenerativer Verteilungsprobleme wird damit aber kaum gelingen, auch wenn die GRV damit je nach Ausgestaltung des Übergangs vorübergehend entlastet werden könnte. Doch irgendwann müssen auch die Anwartschaften der neu verpflichteten Beitragszahler bedient werden. Die zusätzlich zu finanzierenden Ausgaben werden dann die heute noch jüngeren und nachwachsenden Erwerbspersonen belasten. Für den Gesamtstaat geht die Rechnung ohnehin nicht auf, weil die bestehenden Versorgungszusagen weiterhin aus Steuermitteln zu finanzieren sind, zusätzlich für jüngere Staatsdiener ein Arbeitgeberanteil zur GRV zu entrichten ist und möglicherweise auch das Besoldungsniveau angehoben werden muss, damit der Staatsdienst für jüngere Fachkräfte auch dann noch attraktiv erscheint, wenn die Beamten künftig einen Arbeitnehmeranteil zur GRV zahlen sollen.
Dabei bietet das System der GRV Stellschrauben, über die die intergenerative Balance nachjustiert werden kann, ohne die bis 2030 definierten Haltelinien längerfristig zu verletzen. Mit dem sofortigen Wiedereinsetzen des Nachholfaktors, einer höheren Gewichtung des Nachhaltigkeitsfaktors mit 0,33 statt 0,25 sowie mit einer fortgesetzten Anhebung der Regelaltersgrenze um zwei Monate pro Jahr bis auf 70 Jahre ab 2052 könnte der Beitragssatzanstieg ab 2040 dauerhaft bei 20,8 Prozent gebremst werden. Das Sicherungsniveau würde zwar zunächst um 1 Prozentpunkt niedriger liegen als in einem Szenario ohne Reformen, bis Mitte der 2050er-Jahre nähert es sich aber wieder an den ursprünglichen Pfad an.
Immerhin greift die FDP mit ihrer Forderung nach einem Wiedereinsetzen des Nachholfaktors eine dieser Stellschrauben auf. Einen weiterführenden Vorschlag legen die Liberalen mit ihrem Votum für eine „Schuldenbremse 2.0“ in der Sozialversicherung vor. Ihre Idee eines frei wählbaren Renteneintritts ab einem Alter von 60 Jahren irritiert dagegen auf den ersten Blick. Sie basiert allerdings auf einem innovativen Ansatz zur Berechnung der Rentenansprüche, mit der im Umlageverfahren die Anreize kapitalgedeckter Sicherungssysteme nachgeahmt werden. Ob die Versicherten damit tatsächlich länger in die GRV einzahlen würden, hängt aber auch davon ab, ob offene Flanken geschlossen werden. Anderenfalls drohen Ausweichreaktionen, die die Finanzierung der im Umlageverfahren erworbenen Anwartschaften gefährden.
Dieser Blogpost ist auf Basis des Papers „Langfristige Sicherung des Rentenniveaus? – Die Wahlprogramme von Bündnis 90/Die Grünen, SPD, Die Linke und FDP im Generationencheck“ (.PDF) entstanden.
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Autor:
R. Fischer und Prof. G. Schnabl Prof. Schnabl ist Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig. Raphael Fischer ist Diplom-Volkswirt und Forschungsassistent am Institut für Wirtschaftspolitik der Universität Leipzig.