Regelsetzer und Marktteilnehmer in der Mobilität – und beides misslingt dem Staat

Mobilität ist ein Prisma für unsere Gesellschaft. Jeder von uns ist selbst in diversen Formen mobil – ob zu Fuß, auf dem Rad, mit der Bahn oder im Auto – und wie in einem Brennglas verdichtet sich auch die Verflechtung von Markt und Staat im Mobilitätsbereich. Leider zum Schaden der gesellschaftlichen Wohlfahrt. Klar ist: Ohne Staat geht es nicht. Straßen- und Schienennetze sind natürliche Monopole, deren Bereitstellung ohne staatliche Vorsorge unterdimensioniert bliebe. Und auch beim Betrieb von Bus und Bahn gibt es immer wieder Fälle, in denen der Betrieb eines gesellschaftlich wünschenswerten Ergebnisses für private Anbieter unwirtschaftlich wäre. Doch staatliche Akteure, von den Kommunen bis zum Bund, mischen mittlerweile in einem Maße in der Bereitstellung von Mobilitätsangeboten mit, welches (potenziell bessere) private Angebote verdrängt. Und nicht nur das: Selbstverständlich ist der Staat als Gesetzgeber auch tief in die Regulierung derjenigen Märkte involviert, die er dann später selbst als Anbieter bespielt.

Anhand von vier Beispielen skizziert dieser Beitrag, wo staatliche Regulierung und staatseigene Angebote vielleicht gut gemeint sind, aber letztlich zu schlechter Qualität und einem Crowding-Out privater Initiative führen.

Auf und entlang der Autobahn gibt es ein Zweiklassensystem: Raststätten und Autohöfe. Während die Autohöfe rein privat organisiert sind, werden die Raststätten per staatlicher Konzession an private Betreiber vergeben. Wobei der Plural an dieser Stelle irreführend ist: Rund 90% aller Konzessionen liegen in der Hand der „Tank & Rast” Gruppe. Neben den Steuereinnahmen, die der Staat von beiden Gruppen gleichermaßen vereinnahmt, erhält er von der Tank & Rast und allen anderen Konzessionären jährlich Abgaben. Außerdem ist die bundeseigene Autobahn GmbH für den Bau und Betrieb der Straßen und Parkplätze auf den Raststätten verantwortlich. Und das merkt man: Bundesweit fehlen akut 40.000 LKW-Parkplätze. Das Resultat staatlicher Fehlplanung und Untätigkeit. Zugleich werden die privatwirtschaftlichen Autohöfe behindert. Während Raststätten bis zu vier Hinweisschilder vor ihrer Abfahrt aufstellen dürfen, sind es bei Autohöfen meist nur eins, höchstens zwei. Hier kulminiert staatliches Missmanagement mit einseitiger Bevorzugung derjenigen Unternehmer, die dem Staat über Konzessionen am nächsten stehen.

Auch innerorts gibt es vergleichbare Situationen: Mit Blick auf die Mobilitätswende und einer gewünschten Reduktion des PKW-Verkehrs in Städten rücken digitale Mobilitätsanbieter und plattformvermittelte Fahrdienstleister immer mehr in den Fokus. Unternehmen wie Uber, Bolt oder Moia vermieten dabei ganze Fahrzeuge mit professionellem Fahrer oder einzelne Sitzplätze – häufig in Ergänzung einer ÖPNV-Fahrt als sogenannte „letzte Meile“ einer längeren Mobilitätskette. Während der grundlegende Rechtsrahmen für solche Angebote auf der Bundesebene geregelt ist, sind regelmäßig die Kommunen für die konkreten Genehmigungen zuständig. Gleichzeitig bieten sie immer öfter eigene Fahrdienste an: Sei es Berlins Experiment mit dem “Berlkönig”, der “Heinerliner” in Darmstadt oder VWs Kooperationsprojekt MOIA in Hamburg und Berlin. Alle Projekte haben gemein, dass ein immanenter Anreiz besteht, eigene Projekte zuvorkommend zu behandeln, während rein private Angebote strikt reguliert werden.

Doch nicht nur auf der Straße ist der Staat zugleich Regelsetzer und Profiteur der eigenen Regulierung. Allseits bekannt und von Menschen mit fixen Zeitplänen gefürchtet ist die bundeseigene Deutsche Bahn AG. Teil des Konzerns ist die DB InfraGO, die das Netz und die Bahnhöfe gemeinsam betreibt. Sie soll allen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVUs) diskriminierungsfrei Zugang zu Schienennetz und Haltepunkten bieten. Und nominell ist das auch der Fall. Quer durchs Land rollen Züge privater Güterzuganbieter (die mittlerweile weit mehr als die Hälfte des Schienengüterverkehrs abwickeln), ebenso wie die grünen Flixtrains im Personenfernverkehr, sowie eine Vielzahl privater Nahverkehrsanbieter.

Und dennoch benachteiligen die Geschäftspraktiken der DB InfraGO einseitig die privaten Wettbewerber. Immer wieder kommt es vor, dass Baustellen und Streckensperrungen den EVUs extrem kurzfristig mitgeteilt werden. Sie müssen dann Umwege und Verspätungen in Kauf nehmen, Geschäftskunden ggf. Entschädigung zahlen. Zwar gilt das auch für die DB-Töchter DB Regio, DB Cargo und DB Fernverkehr – sofern der Informationsfluss nicht zumindest informell hier besser funktioniere. Doch die haben tiefe Taschen: Fehlbeträge werden zur Not vom Steuerzahler ausgeglichen. Ebenso bei der DB InfraGO: Für ihr erratisches Kommunikationsverhalten wurde sie bereits mehrfach von der Bundesnetzagentur mit hohen Bußgeldern belegt. Doch kann ein Staatsbetrieb dadurch zusammenbrechen? Eher ist es ein Fall von „linke Tasche, rechte Tasche“, wenn die DB AG aus dem Geschäftsbereich des BMV der BNetzA aus dem Geschäftsbereich des BMWE ein Bußgeld überweist. Private Unternehmen dagegen können durch Kompensationszahlungen und verlorene Kunden durch netzbedingte Störungen sehr wohl finanziell in Schieflage geraten und potenziell aus dem Markt gedrängt werden. Auch wenn die Sanktionen für alle auf dem Papier gleich sind: Wenn staatseigene Betriebe involviert sind, sind manche eben „gleicher“.

Bleiben wir bei der Deutschen Bahn: Das Unternehmen ist längst nicht mehr nur auf der Schiene aktiv. Seit einigen Jahren findet man an den Bahnhöfen vieler Großstädte die Fahrräder von „Call a Bike.“ Was aus Sicht des Unternehmens vielleicht wie ein sympathischer Beitrag zur Mobilitätswende wirkt, ist eine direkte Wettbewerbsverzerrung in einem Markt, in dem viele private Anbieter bereitstehen. Denn „Call a Bikes“ bekommen nicht nur prominente Stellflächen in unmittelbarer Bahnhofsnähe. Das Angebot wird auch quersubventioniert durch vergünstigte Abos für „BahnBonus“-Nutzer, die das Gros ihrer Punkte in der Regel mit Bahnfahrten sammeln. Das wirbt niederschwellig Kunden und ist ein Wettbewerbsvorteil durch einen staatliche Quasimonopolisten im Fernverkehr, den private Fahrrad- und Rollervermieter nicht haben. Und auch wenn die DB erste Schritte geht, dieses Zusammenfallen von Spieler und Schiedsrichter aufzubrechen, indem seit kurzem auch E-Scooter des privaten Anbieters Dott über den DB-Navigator buchbar sind, passiert hier immer noch zu wenig.

Unterm Strich lässt sich feststellen: Staatliche Behörden und Unternehmen nutzen ihre prinzipiell sinnvolle Rolle in der Bereitstellung von Mobilitätsinfrastruktur immer wieder zum Nachteil privater Wettbewerber und zugunsten der eigenen Erlöse. Das widerspricht dem Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft diametral und ist der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt abträglich. Es bedarf daher dringend einer kritischeren Perspektive auf wettbewerbshinderliche Praktiken im Mobilitätssektor.

 

Autoren:
Dr. Benedikt Schmal

Dr. Benedikt Schmal ist Wettbewerbsökonom und assoziierter Wissenschaftler am Fachgebiet Wirtschaftstheorie der TU Ilmenau. Er wurde von Prof. Dr. Justus Haucap am Düsseldorf Institute for Competition Economics der Heinrich-Heine-Universität promoviert und hat zuvor VWL in Berlin und Dublin studiert. Forschungsaufenthalte führten ihn nach Belgien, Großbritannien und in die USA. Er ist zudem in der Forschungsevaluation tätig.

Max Zombek, M.A.

Max Zombek, M.A. ist externer Doktorand von Prof. Dr. Jan Schnellenbach an der BTU Cottbus und beschäftigt sich dort mit Fragen der politischen Ökonomie im Automobilsektor. Zuvor hat er in Witten und London Politische Ökonomie studiert und war anschließend in verschiedenen Rollen im politischen Berlin tätig. Gegenwärtig arbeitet er für einen Verband in der Mobilitätsbranche.

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