Keine Zukunft ohne Daten

Was es in Deutschland und Europa braucht, um der Digitalisierung zum Durchbruch zu verhelfen.

Die gute Nachricht zuerst: Die Digitalisierung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft in Deutschland schreitet voran. Der Digitalisierungsindex des Bundeswirtschaftsministeriums verbessert sich im Jahr 2021 um 8 Prozent gegenüber dem Vorjahr (Büchel/Engels, 2022a, 6). Die schlechte Nachricht ist: Der Fortschritt erfolgt viel zu langsam. Noch 30 Jahre würde die im Onlinezugangsgesetz vorgeschriebene Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung dauern, wenn es in dem Tempo weiterginge wie bisher (INSM, 2022).

Warum Daten so wichtig sind

Eine große Baustelle der Digitalisierung sind nach wie vor der Umgang mit und der Zugang zu Daten. Sie sind Kern der Digitalisierung, denn sie ermöglichen das Sammeln sowie Speichern und dann auch die Nutzung von Daten für produktive Zwecke. Aus der Perspektive von Unternehmen lassen sich Daten zunächst einsetzen, um intern Prozesse und Abläufe zu verbessern und zu vereinfachen. Dies senkt Kosten und erhöht die Wettbewerbsfähigkeit. Unternehmen, die Daten erfolgreich bewirtschaften – im Jargon „Data Economy Ready“ sind – sind zudem auch in der Lage, Daten für neue sowie die Verbesserung bestehender Produkte und Dienstleistungen zu verwenden. Damit können insbesondere Kundenbedürfnisse besser befriedigt werden, was wiederum entscheidend im (internationalen) Wettbewerb ist. Eine Befragung unter Unternehmen aus Industrie und industrienahen Dienstleistungen aus dem Jahr 2021 zeigt jedoch, dass erst 29 Prozent der deutschen Unternehmen „Data Economy Ready“ sind (Büchel/Engels, 2022). Die restlichen 71 Prozent dürften damit Gefahr laufen, zukünftig nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein.

Wege in die Datenökonomie

Unternehmen benötigen für ihren Weg zu einer Datenbewirtschaftung passende Rahmenbedingungen. Wesentliche Hemmnisse für eine produktive Nutzung von Daten sind rechtlicher Natur – etwa die Angst vor einem unberechtigten Zugriff Dritter oder Unklarheiten beim Datenschutz (Röhl et al., 2021, 40 ff.). Ein wichtiger Schritt ist daher die Etablierung eines Plattformökosystems für einen souveränen und sicheren Datenaustausch, wie ihn Gaia-X gewährleisten wird. Das von der Bundesregierung unterstützte Projekt soll den Rahmen für eine sichere und föderale Dateninfrastruktur schaffen, der Unternehmen aller Größen vertrauen, weil sie auf europäischen Werten basiert und klare Regeln definiert (Rusche, 2022). Gaia-X muss aus der Konzeptions- nun in die Umsetzungsphase gebracht werden, in der konkrete Anwendungsfälle geschaffen und erste Use Cases kommuniziert werden. Gerade für KMU ist es wichtig, wie Daten erfolgreich mit Unterstützung von Gaia-X bewirtschaftet werden können. Dadurch können Perspektiven für die eigenen Aktivitäten entwickelt werden. Bedauerlich ist vor diesem Hintergrund, dass das Bundeswirtschaftsministerium im Jahr 2022 kurzfristig fünf Gaia-X-Anwendungsprojekten, die sich in einem Förderwettbewerb durchgesetzt hatten, doch keine Mittel zur Verfügung stellt (Finkenzeller, 2022).

Für die wirtschaftliche Nutzung von Daten sind Standards essenziell, an deren Entwicklung gerade KMU bislang oft einen noch zu geringen Anteil haben. Um ihre Interessen und Bedürfnisse in Standardisierungs- und Normungsgremien angemessen zu berücksichtigen, sollte die Politik (finanzielle) Anreize schaffen, damit KMU sich beteiligen (können). Infrage kommen dafür zum Beispiel Zuschüsse für die Kosten der Teilnahme an Normungsgremien und einfachere Verfahren durch die Herausgeber von Standards, etwa durch digital stellbare Anträge.

Schließlich werden auf Ebene der EU derzeit zahlreiche Rechtsakte entwickelt und verabschiedet, die für die Bewirtschaftung von Daten höchste Relevanz aufweisen, wie etwa der Data Governance Act, der Data Act oder der AI Act. Zwar schaffen diese Regulierungen im Idealfall Rechtssicherheit für viele Aspekte der Bewirtschaftung von Daten und helfen, die Datensouveränität zu gewährleisten, was gerade für KMU wichtig ist, um die Hemmnisse für die Nutzung von Daten abzubauen. Gleichzeitig schränken die Regulierungen aber den Handlungsrahmen von Unternehmen ein und machen bürokratische Vorgaben. Ob dieser Balanceakt zwischen der Schaffung von mehr Rechtssicherheit und der Beibehaltung von Innovationsfähigkeit mittelfristig gelingt, kann nur durch ein engmaschiges Monitoring und eine Evaluation der Effekte der Regulierung festgestellt werden. Hier ist nicht nur die EU selbst, sondern auch die deutsche Politik gefragt, dies zu gewährleisten, um zu verhindern, dass die gesetzten Rahmenbedingungen am Ziel vorbeigehen.

Gleichzeitig erfordert die Vielzahl an für die Datenbewirtschaftung relevanten Rechtsvorschriften auf EU- wie auf deutscher Ebene dauerhaft Unterstützung für KMU. Gerade deren Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes, der für personenbezogene Daten in der europäischen Datenschutz-Grundverordnung umfassend geregelt ist, deuten darauf hin, dass ihre Herausforderung (auch) in der Kenntnis über und dem Verständnis von den geltenden Regeln besteht. Hier ist von staatlicher Seite eine deutliche Kommunikation erforderlich, um allen Unternehmen Compliance zu ermöglichen und die Potenziale der Datenbewirtschaftung zu eröffnen.

Literatur

Büchel, Jan / Engels, Barbara, 2022a, Digitalisierungsindex 2021. Digitalisierung der Wirtschaft in Deutschland, Gutachten im Rahmen des Projekts „Entwicklung und Messung der Digitalisierung der Wirtschaft am Standort Deutschland” im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Köln

Büchel, Jan / Engels, Barbara, 2022b forthcoming, Datenbewirtschaftung von Unternehmen in Deutschland: eine empirische Bestandsaufnahme, in: IW-Trends, 49. Jg., Nr. 2, Köln

Finkenzeller, Karin, 2022, Fehlende Fördergelder. Aus für Gaia-X-Projekte, Aus für Gaia-X-Projekte wegen fehlender Fördermittel (wiwo.de) [25.3.2022]

INSM, 2022, Behörden-Digimeter. „Bei dem Tempo dauert die Behörden-Digitalisierung noch über 30 Jahre“, Bei dem Tempo dauert die Behörden-Digitalisierung noch über 30 Jahre – INSM [25.3.2022]

Röhl, Klaus-Heiner / Bolwin, Lennart / Hüttl, Paula, 2021, Datenwirtschaft in Deutschland. Wo stehen die Unternehmen in der Datennutzung und was sind ihre größten Hemmnisse?, Gutachten im Auftrag des Bundesverbands der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Köln

Rusche, Christian, 2022, Einführung in Gaia-X – Hintergrund, Ziele und Aufbau, IW-Report, Nr. 10, Köln

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Autor:

Dr. Vera Demary ist Leiterin des Kompetenzfelds Strukturwandel und Wettbewerb beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln.

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