Ist Protektionismus ein guter Deal, Prof. Dr. Gabriel Felbermayr?

In unserer eigentlich globalisierten Welt nimmt der Protektionismus wieder zu. Was sind die Folgen dieser Politik? Was ist die Strategie von US-Präsident Donald Trump? Und wie sollten Europa und Deutschland darauf reagieren? – Prof. Gabriel J. Felbermayr vom Institut für Weltwirtschaft Kiel gibt Antworten.

Dieses Interview wurde vor der Econwatch-Veranstaltung „To Trump or not to Trump? Ist Protektionismus ein guter Deal?“ aufgenommen. Econwatch ist eine unabhängige, überparteiliche und gemeinnützige Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, verständlich und wissenschaftlich fundiert über Wirtschaftspolitik zu informieren und Reformmöglichkeiten aufzuzeigen. Das Paper zur Veranstaltung finden Sie hier.

Im Folgenden lesen Sie das Transkript des Videointerviews.

Was sind die Folgen von Protektionismus für den weltweiten Handel?

Prof. Dr. Gabriel J. Felbermayr: Die letzten 20 Jahre waren zweigeteilt, kann man sagen. Von 2000 bis 2010 in etwa hat die Globalisierung noch mal ordentlich einen Zahn zugelegt, der Handel wuchs deutlich schneller als die Produktion. Die Welt hat sich globalisiert. Dann kam die große Krise. Nach der Krise müssen wir feststellen, dass die Globalisierung sich nicht weiterentwickelt hat. Wir haben zwar weiter Handelswachstum, aber der Handel wächst verhalten, nicht mehr schneller als das Bruttoinlandsprodukt, sondern sogar langsamer über die Zeitreihe hinweg, sodass wir eher eine ganz schleichende, langsame, aber doch Deglobalisierung feststellen als ein weiteres Ansteigen der Globalisierung. Auf der Produktionsseite ist es so, dass wir da auch eine Zweiteilung haben. Zwischen 2000 und 2008 wurden sehr viele Freihandelsabkommen geschrieben und es gab immer noch einen kooperativen Geist. Auch die Krisenbewältigung 2008 war davon beseelt. Die G20 wurden deswegen ja ins Leben gerufen, das hat funktioniert. Aber auch da sehen wir seit 2008 einen schleichenden Sittenverfall. Es wird immer mehr Protektionismus betrieben, der teilweise absurde Züge annimmt, aber immer das Ziel hat, ausländische Wettbewerber zu benachteiligen. Da gibt es viel Evidenz dafür, dass das rund um 2008/2009 deutlich stärker geworden ist und weiter zunimmt.

Welchen handelspolitischen Ansatz verfolgt US-Präsident Donald Trump?

Prof. Dr. Gabriel J. Felbermayr: Der amerikanische Präsident ist schwer zu durchschauen. Er verfolgt sicherlich nicht den liberalen handelspolitischen Ansatz, den der durchschnittliche Ökonom anwenden würde und der sagen würde: Wir sind alle besser dran, wenn wir Barrieren aus der Welt schaffen und beispielsweise unsere verteilungspolitischen Ziele mit verteilungspolitischen Instrumenten im Inland verfolgen. Er hat eine andere Taktik. Er möchte die Dominanz der USA weltweit weiter aufrechterhalten. Er möchte Amerika wieder groß machen. Amerika hat verloren in den letzten Jahren gegenüber China und anderen „Emerging Markets“. Das ist ein Faktum, das ihm und vielen Amerikanern missfällt. Er setzt Handelspolitik ein, um seine geostrategischen Rivalen kleinzuhalten. Und weil die Amerikaner so viel mehr importieren, als sie exportieren, sitzt er dabei durchaus auf dem längeren Ast.

Wird diese Strategie erfolgreich sein?

Prof. Dr. Gabriel J. Felbermayr: Die amerikanische Handelspolitik ist aus ökonomischer Perspektive kein guter Deal. Wenn wir uns fragen, was wir eigentlich brauchen, um möglichst viel Wohlstand zu schaffen für die Menschen auf der Welt und auch in den USA, dann kommen wir als Ökonomen doch immer zu dem Schluss: Einen Handelskrieg brauchen wir nicht. Ganz im Gegenteil – der schadet. Wenn die Zielfunktion aber eine andere ist, die darin besteht, die geostrategischen Rivalen kleinzuhalten, dann ist die Optik eine andere. Dann kommen wir schnell zu dem Schluss, dass es für ein Land, das einen großen eigenen Markt hat und das sehr viel importiert und wenig exportiert, durchaus Sinn machen kann, mit Zöllen eine Verlagerung der Produktion aus dem Ausland in das Inland zu erzwingen und damit bisherige handelspolitische Partner zu schwächen. Wenn das das geostrategische und machtpolitische Ziel ist, dann kann man das mit diesen Maßnahmen erreichen. Aber wohlfahrtsökonomisch ist das keine gute Idee.

Wie sollten Deutschland und Europa auf Donald Trump reagieren?

Prof. Dr. Gabriel J. Felbermayr: Es war richtig, dass Europa auf die Zölle des Herrn Trump bei Stahl und Aluminium mit Gegenzöllen reagiert hat. Das befiehlt die WTO-Logik. Die WTO funktioniert deswegen, weil sie unter bestimmten Bedingungen und Regelwerken vorsieht, dass sich Länder gegen die Regelverletzung anderer wehren dürfen. Im Idealfall sollte dieses „sich wehren dürfen“ dazu führen, dass die Länder ihre Regeln gar nicht verletzen. Wenn man das also einfach hingenommen hätte, dann wäre Trump wahrscheinlich einfach nur bestärkt worden. Und er hätte die, von Adam Smith kommenden, Smith’schen Beggar-thy-neighbor-Gewinne einfach eingestreift und sich ins Fäustchen gelacht. Insofern ist eine robuste Haltung gegenüber den USA wichtig. Allerdings hilft die nicht, wenn die amerikanische handlungspolitische Logik nicht eine des „Wachsenlassens von positiven Summen“ ist, sondern eine „Nullsummen-Logik“ ist. Wenn das die Logik ist, dann müssen wir in Europa gänzlich neu nachdenken. Wahrscheinlich müssen wir uns darauf vorbereiten, dass wir mehr Koalitionen bilden müssen, und uns mit Ländern zusammenschließen, die weiter interessiert daran sind, nicht geostrategische Macht zu optimieren, sondern den Wohlstand der Bevölkerung. Dass wir uns zusammenschließen, dass wir einen WTO-B-Plan entwickeln und diesen Plan ausarbeiten, ins Schaufenster legen, damit Druck machen. Das wäre wichtig, um Trump und den Amerikanern zu zeigen, dass wir auch ohne sie können. Nicht gerne, aber wenn es keine Alternativen gibt, müssen wird darauf vorbereitet sein.

Professor Dr. Gabriel Felbermayr war Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und Leiter des Zentrums für Außenwirtschaft am ifo-Institut in München. Seit März 2019 ist er Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), außerdem lehrt er VWL an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU).

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Autor:

INSM Redaktion Hier schreibt die Redaktion der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.

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