Gut aufgeladen und optimistisch

Ob Klimawandel-Krieger oder -Leugner, Umwelt-Vernichter oder -Schützer – in diesem Buch hagelt’s Ohrfeigen für alle. Und das auf sehr konstruktive Weise. Humorvoll gelingt es dem Kabarettisten und Physiker Vince Ebert, Widersprüche und Denkfehler in der deutschen Energiewende-Debatte aufzuzeigen. Herausgekommen ist ein ebenso witziges wie fundiertes Buch, das einige nützliche Ansichten zur Weltverbesserung parat hält.

Der bekannte Physiker, Moderator, Kabarettist und Bestseller-Autor Vince Ebert kommt zur Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft in Berlin, am Mittwoch, 1. März 2023. Sie wollen dabei sein? Mehr Infos hier.

Eins vorweg: In Vince Eberts Buch „Lichtblick statt Blackout – warum wir beim Weltverbessern neu denken müssen“ geht es nicht darum, das Anliegen der Umwelt- und Klimabewegung lächerlich zu machen. „Der Klimawandel ist unbestreitbar“, sagt der Autor voller Überzeugung, „und er ist keine Erfindung von Greta Thunberg oder Al Gore“, fügt er hinzu.

Dennoch stinkt dem Wissenschaftskabarettisten einiges in der Debatte und Umsetzung der deutschen Energiewende. Und so macht sich Ebert mit humoristischem Esprit und wissenschaftlicher Tiefe auf, das derzeitige deutsche Konzept der Nachhaltigkeit zu hinterfragen, die Realisierbarkeit der Energiewende anzuzweifeln und das Mantra der Ressourcenknappheit zu durchbrechen.

Natürlich habe das unermüdliche Engagement von Umweltschutzorganisationen „unseren Planeten zweifellos zu einem besseren und lebenswerteren Ort gemacht“, erklärt er. Doch das bedeute nicht, alles unkritisch zu akzeptieren („Im Laufe der letzten Jahre hat sich eine ökologisch orientierte Oberschicht in einen bedenklichen Selbstbezug hineinmanövriert“).

Klima-Gutmenschen und Umweltaktivisten bekommen deswegen von ihm genauso einen übergebraten wie Klimaleugner und Verschwörungstheoretiker. Ebert geht es darum, „an ein paar liebgewonnenen Überzeugungen und Weltbildern zu rütteln“, Mythen, Halbwahrheiten und Irrtümer aufzudecken und dadurch einen energiegeladenen Austausch von neuen und sinnvollen Ideen zu erzeugen. Und das – so viel steht fest – gelingt ihm auch: mit gut recherchierten Fakten, gesundem Menschenverstand und unbestechlicher Haltung. 

Keine blinde Autoritätsgläubigkeit

Los geht es mit der aus seiner Sicht unseligen Verquickung von wissenschaftlicher Erkenntnis und politischer Absicht: „Politische Forderungen werden nicht automatisch zu wissenschaftlichen Fakten, nur weil sie von Wissenschaftlern ausgesprochen werden. Sie müssen genauso diskutiert, abgewogen und hinterfragt werden wie jede andere politische Forderung“, meint Ebert.

Ohne Zweifel seien Wissenschaftler als Gestalter der Zukunft und des Wohlstands in der Verantwortung, „dem populistischen Kokolores etwas entgegenzusetzen“. Doch Wissenschaft bringe nicht die Wahrheit hervor, sondern sie könne sich ihr immer nur systematisch annähern. „Wenn Wissenschaftler alles wüssten, müssten sie nicht mehr forschen.“

Jede Theorie gelte eben nur so lange als richtig, bis sie durch eine bessere ersetzt werde (Falsifizierbarkeit). „In der Wissenschaft irrt man sich sozusagen Schritt für Schritt weiter“, frotzelt Ebert.

Klimaforschung sei objektive Wissenschaft, Klimapolitik dagegen subjektiv, unscharf und verhandelbar. „Wer beides bewusst miteinander vermischt oder gar gleichsetzt, gewinnt vielleicht die Sympathien der Öffentlichkeit, aber er missbraucht damit die Wissenschaft für populistische Zwecke.“ Man müsse sich von der Illusion frei machen, dass internationale Klimapolitik Umweltpolitik sei. Mit Umweltpolitik habe das fast nichts zu tun.

Auch die verbreitete Meinung, dass die Welt immer schlimmer werde, kann er nicht nachvollziehen. In Bezug auf den deutschen Ökonomen Max Roser (University of Oxford) analysiert er Lebensqualitätskriterien wie Armutsquote, Kinderarbeit, Lebenserwartung oder den Zugang zu sauberem Wasser und stellt in allen Bereichen Verbesserungen fest. „Je wirtschaftlich unfreier ein Land ist, desto schlechter sind auch dessen Umweltwerte“, erklärt Ebert. Aus ökologischer Sicht sei der Kapitalismus wahrscheinlich eher nicht das Problem, sondern die Lösung.  

Nachhaltige Selbstbezogenheit gegen internationale Armut

Ökologisches Bewusstsein ist für ihn heute absolut notwendig, Klimaschutz sei der Megatrend. Allerdings zweifelt Ebert daran, ob der Mehrheit der Menschen das Thema tatsächlich so sehr unter den Nägeln brennt. „Es ist lediglich eine gut vernetzte und medial überdurchschnittlich präsente Minderheit, die dieses Thema bespielt und dadurch den Eindruck erweckt, sie verkörpert die Mehrheit“, behauptet der Autor frech. Und er geht noch weiter: „Das Potenzial des nachhaltigen Konsums wird dramatisch überschätzt. Die Klimadebatte hat für viele keine Auswirkungen auf die Urlaubsplanung. Es wird weiterhin geflogen, was das Zeug hält.“

Vor allem in den Entwicklungsländern habe das Problem der Armut Vorrang vor den langfristigen Bedrohungen durch die Erderwärmung. So sei es kein Wunder, dass Südafrika 2022 das viertgrößte Kohlekraftwerk der Welt fertiggestellt habe. In Nigeria würden bis 2025 etwa hundert Öl- und Gasprojekte anlaufen. China habe in den vergangenen 20 Jahren seinen CO2-Ausstoß verdreifacht. „Die Volksrepublik verbraucht schon heute mehr Steinkohle als alle anderen Länder weltweit zusammen.“

Forderungen nach nachhaltigem Konsum und Verzicht ärgern Ebert. Diese würden massiv den Lebensstil sozial Schwächerer beeinflussen, die oft einfach nur froh seien, Billigfleisch beim Discounter kaufen zu können. „Es nervt, wenn Leute, die sowieso schon alles haben, die Menschheit zur Mäßigung und Verzicht aufrufen. Man löst auch kein einziges Problem, wenn man Flugreisen verteuert, Fleischkonsum einschränkt oder Dieselmotoren verbietet. Diese Dinge mögen zwar unser Gewissen beruhigen, aber die Welt wird davon nicht gerettet.“

Energie lässt sich nicht wenden

Schließlich knöpft er sich die Energiewende („Energie lässt sich wenden.“) und die Fokussierung auf erneuerbare Energien vor. Der begrenzende Faktor von Wind- und Sonnenkraft liege nicht in der angeblich noch nicht ganz ausgereiften Technologie, sondern sei ihre katastrophal schlechte Energiedichte. „Mit den Gesetzen der Physik kann man nicht verhandeln“, erklärt Ebert lakonisch. Er rechnet vor: Im Jahr 2021 erzeugten in Deutschland 30.000 Windkraftanlagen 113 Terawattstunden (TWh) an Strom. „Mit einer Terawattstunde könnten Sie zum Beispiel den gesamten Tegernsee um 2,5 Grad erwärmen. Oder den Mount Everest um 80 Zentimeter anheben. Oder sich 114.000 Jahre nonstop die Haare föhnen.“ Ein mittleres Kernkraftwerk produziert im Jahr etwa 11 TWh. Das heißt: Um ein Kernkraftwerk durch Windkraft zu ersetzen, benötigt man einen Windpark von 3.000 Turbinen. Ein Kernkraftwerk hat typischerweise eine Fläche von 1,4 Quadratkilometern. Ein Windpark mit 3.000 Anlagen dagegen würde eine Fläche von unglaublichen 750 Quadratkilometern benötigen – also 500 Mal mehr Landfläche als konventionelle Kraftwerke. Der Flächenbedarf von Photovoltaik liegt noch drüber. 

Auch Pumpspeicherkraftwerke seien unzureichend vorhanden. „Wenn es den Forschern irgendwann gelingt, ein Energiespeichersystem in großem Stil zu entwickeln, dann könnte die Energiewende funktionieren“, meint Ebert. Dass die finnischen Grünen auf Kernenergie setzten, weil sie der Auffassung seien, dass diese Technologie nahezu klimaneutral Strom produziert und unterm Strich den Planeten entlastet, sei eine bemerkenswerte Schlussfolgerung, die der Autor folgendermaßen kommentiert: „Wir müssen uns halt entscheiden, welche negativen Auswirkungen unserer Existenz wir bereit sind zu akzeptieren und welche nicht.“

In der Diskussion um „Nachhaltigkeit versus Wachstum“ zeigt er sich eindeutig: „Viele Verfechter der Nachhaltigkeitsbewegung verdammen die freie Marktwirtschaft und den Kapitalismus und glauben, die größte Bedrohung unseres Planeten sei das weltweite Wirtschaftswachstum.“ Doch sähen diese nicht, dass wirtschaftliches Wachstum vor allem dadurch charakterisiert ist, dass man ständig neue Ideen entwickelt, um Ressourcen effizienter zu nutzen. „Wird ein bestimmter Rohstoff knapp, steigt zwangsläufig der Preis. Dies wiederum erzeugt einen ökonomischen Druck, den Rohstoff sparsamer einzusetzen, bessere Produktionstechniken zu entwickeln oder sogar Innovationen voranzutreiben, den jeweiligen Rohstoff komplett zu ersetzen.“

Dass Umwelt- und Klimabewegungen in den vergangenen Jahrzehnten wertvolle Debatten angestoßen haben, steht für ihn außer Frage. Doch er verwehrt sich gegen ein starres Entweder-oder-Konzept von Technologien, Prozessen und Energieformen. Ebert wünscht sich eine ausgewogene und kluge Kombination aller verfügbaren Methoden, eine intelligente Abwägung von Ökologie und Ökonomie. „Weltretten darf kein Religionsersatz werden. Umweltprobleme sind auf der Basis einer wissenschaftlichen Analyse zu lösen.“ Allerdings: „Auch die Wissenschaft kann bei komplexen Systemen nur bedingt helfen.“ Denn Forscher seien in aller Regel Spezialisten und Fachleute auf einem eng begrenzten Gebiet.

Wie sieht die Vince-Ebert-Weltverbesserungstherapie aus?

Für Ebert ist es höchste Zeit, den Fokus verstärkt auf Kernfusion, synthetische Kraftstoffe, Energiespeichersysteme und neuartige Kernreaktortypen der sogenannten vierten Generation zu richten. (China gab erst vor Kurzem bekannt, seinen ersten Thorium-Flüssigsalz-Reaktor zu testen, der Kernenergie sicherer, effizienter und kostengünstiger machen soll. Und: Das Genfer Start-up Transmutex entwickelt derzeit einen neuartigen Kernreaktortyp, der als Brennstoff ebenfalls Thorium verwendet. Ein Element, das praktisch keine gefährlichen radioaktiven Rückstände hinterlässt). Als „idealistischer Realist“ oder „realistischer Idealist“ plädiert Ebert für weniger Verbote und Einschränkungen und für mehr Erfindungsreichtum und Offenheit für alle Arten von Technologien. „Wir müssen uns in den kommenden Jahrzehnten wohl oder übel auf einen wärmeren Planeten einstellen.“ Darum gelte es, „den menschlichen Erfindungsgeist zu entfesseln“ und mehr Optimismus zu wagen – vor allem dort, wo die Zukunft lebt und lernt: in den Institutionen der Bildung, der Schule, Ausbildung und Universitäten.

Fazit

Ein witziges, informatives und gut geschriebenes Buch – auch für Politiker und Professoren. Allein schon, um gewohnte Denkpfade zu verlassen. Lesenswert!

Ebert, Vince. 2022. Lichtblick statt Blackout – warum wir beim Weltverbessern neu denken müssen. dtv Verlagsgesellschaft: München.

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Autor:

Dr. Martin Roos ist freiberuflicher Journalist. Er arbeitet als Autor, Ghostwriter und Redenschreiber für Unternehmen und Topmanager.

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