Esst weniger Fleisch!

Schon vor der Corona-Pandemie war klar, dass in der Fleischindustrie vieles im Argen liegt. Miserable Bedingungen sowohl für Arbeitnehmer als auch für die Tiere sind nur zwei von vielen Problemen.

Seit das Stammwerk des fleischverarbeitenden Tönnies-Konzerns sich zum Corona-Hotspot entwickelt hat, in dem sich rund 1.500 Mitarbeiter mit dem Virus infizierten, ist der Handlungsdruck immens gestiegen. Zur Verbesserung der Bedingungen ist unter anderem eine Tierwohlabgabe in der Diskussion, mit der der Verzehr von Fleisch verteuert und dadurch verringert werden soll. Dies hätte auch positive Effekte für das Klima, denn ein Siebtel des weltweiten Treibhausgasausstoßes ist durch die Haltung und Verarbeitung von Tieren bedingt[1]. Dieser Anteil am globalen Treibhausgasausstoß ist höher als der Beitrag des Verkehrs. Der Verzehr von Fleischprodukten gehört damit neben dem Energieverbrauch zu den wesentlichen Quellen von Treibhausgasen.

Doch während der Energieverbrauch nicht gesenkt werden muss, um Treibhausgase zu reduzieren, wenn der Energiebedarf zunehmend durch erneuerbare Energien gedeckt wird, führt an einem geringeren Fleischkonsum derzeit noch kein Weg vorbei, wenn dasselbe Ziel erreicht werden soll. Noch steckt die Erforschung künstlicher Fleischstoffe in den Kinderschuhen und Fleischersatz, wie etwa Tofu-Würste, erfreut sich nur geringer Beliebtheit. Auch der Konsum von Biofleisch ist zum Zweck der Treibhausgasverringerung ungeeignet: Die wissenschaftliche Literatur zeigt, dass die durch die Produktion von Biofleisch entstehende Menge an Treibhausgasen im Mittel höher ist als bei konventioneller Fleischerzeugung.

Das liegt unter anderem daran, dass der Futteranteil von Gras bei der Produktion von Biofleisch deutlich höher ist als bei konventioneller Haltung. Futtermittel wie Getreide und Soja führen bei den Tieren zu weniger Blähungen als Gras und folglich zu einem geringeren Ausstoß an Treibhausgasen. Das gilt besonders für Rinder, die beim Wiederkäuen vor allem das klimapotente Methan erzeugen, welches eine um den Faktor 25 höhere Klimawirkung hat als Kohlendioxid. 

Selbstverständlich gibt es gute Gründe, Biofleisch zu kaufen: Es ist besser, wenn keine Antibiotikarückstände im Fleisch sind und sich so die Gefahr von Resistenzen verringert. Und es ist besser für die Tiere, wenn diese nicht eingepfercht sind, sondern große Weideflächen zur Verfügung haben. Die Konsequenz ist allerdings, dass zur Produktion von Biofleisch erheblich mehr Fläche benötigt wird. Insgesamt, so zeigen Studien über Verbraucher, die vorwiegend Biofleisch verzehren, sind deren Treibhausgasemissionen nicht niedriger als die anderer Konsumenten, obwohl sie weniger Fleisch essen. So verursacht die Herstellung von Rindfleisch aus ökologischer Ochsenmast etwa eineinhalb Mal so viele Treibhausgase wie bei konventioneller Produktion[2].

Weil
Lösungen aus dem Labor noch eine Weile auf sich warten lassen werden, bleibt
vorerst nur ein Weg übrig: Weniger Fleisch essen! Solange dies als Bestandteil
einer insgesamt gesünderen Lebensweise aufgefasst wird und nicht nur ein guter
Vorsatz bleibt, der alsbald wieder ad acta gelegt wird, hat weniger Fleisch
essen nicht nur Vorteile für das Klima, sondern auch für die eigene Gesundheit
und das Wohlbefinden.

Abgesehen vom geringeren Leid von Tieren stehen so auch mehr pflanzliche Nahrungsmittel in Form von Getreide, Soja etc. für die stetig wachsende Weltbevölkerung zur Verfügung, die andernfalls als Futtermittel für die Tierproduktion verwendet würden. Schätzungen zufolge werden für 1 kg Rindfleisch etwa 1,7 kg Kraftfutter, hauptsächlich in Form von Getreide, benötigt, für ein 1 kg Schweinefleisch 3,4 kg Kraftfutter und für 1 kg Geflügelfleisch rund 2,6 kg Kraftfutter[3].

Experten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfehlen einen Fleischkonsum von im Mittel 64 g je Person und Tag[4]. Mit knapp 190 g pro Tag bzw. rund 69 kg pro Kopf und Jahr liegt der Fleischkonsum im OECD- und EU-Durchschnitt weit darüber[5]. In weniger entwickelten Ländern liegt der durchschnittliche Fleischkonsum hingegen weit unter dem OECD-Durchschnitt, in Indien etwa bei weniger als 3 kg pro Kopf und Jahr. An der Spitze liegt der Pro-Kopf-Fleischkonsum der US-Bürger mit 98,3 kg, in Deutschland liegt er bei 59,8 kg[6].

Würden die weniger entwickelten Länder der Welt sich mit wachsendem Wohlstand einen ähnlichen Fleischkonsum leisten wie die OECD-Länder, wird man bei einer bis zum Jahr 2100 auf voraussichtlich 11 Milliarden Menschen weiter wachsenden Weltbevölkerung früher oder später um die industrielle Produktion von Fleischersatzstoffen kaum herumkommen. Eine Reduktion des Fleischkonsums in den Industrieländern würde aber immerhin dafür sorgen, dass Fleischprodukte weltweit tendenziell günstiger werden und sich die weniger entwickelten Länder eher eine ausgewogenere Ernährung leisten könnten.

[1]IPCC (2014) Informationen zum Klimawandel, 5. Sachstandsbericht des Weltklimarats.

[2] Foodwatch (2020) foodwatch-Report „Klimaretter Bio?“.

[3] WWF (2014) Fleisch frisst Land. 4. unveränderte Fassung der Studie des World Wildlife Fund Deutschland aus dem Jahr 2011, Berlin.

[4] DGE (2009) Die Nährstoffe: Bausteine für Ihre Gesundheit. Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Bonn.

[5] OECD (2020) Meat Consumption.

[6] BVDF (2020) Fleischverzehr je Kopf der Bevölkerung (in kg) Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie.

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Autor:

Prof. Dr. Manuel Frondel ist außerplanmäßiger Professor für Energieökonomik und angewandte Ökonometrie an der Ruhr-Universität Bochum und Leiter des Kompetenzbereichs „Umwelt und Ressourcen“ am RWI.

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