Der Staat hört nicht auf, die Energiewende lenken zu wollen

Die neue Wirtschaftsministerin macht eigentlich Mut. Sie sieht sich laut eigener Aussage als Hüterin der Ordnungspolitik, der Marktwirtschaft und könnte zur Symbolfigur eines dringend nötigen wirtschaftspolitischen Kurswechsels werden. Doch dabei steht ihr der Koalitionsvertrag im Wege. Und auch das Ministerium, das ehemalige BMWK von Robert Habeck, könnte sich für Frau Bundesministerin Reiche als Hindernis erweisen.

Eins sei vorneweg klar gesagt: Wir drücken fest die Daumen, dass die Ministerin auch in der Energiepolitik den ordnungspolitisch sauberen Weg einschlägt. Denn die „Energiewende“ steht wieder mal vor einer Grundsatzentscheidung.

Die Kraftwerksstrategie sowie die Diskussion um Kapazitätsmärkte stellen uns einmal mehr vor die Frage: Vertrauen wir dem Markt? Oder brauchen wir staatliche Steuerung der Energiepolitik? Ein Blick auf die jüngere Vergangenheit zeigt klar: Die staatlich gelenkte Energiewende hat sich weder beim Klimaschutz noch bei der Wettbewerbsfähigkeit und Bezahlbarkeit als sinnvoll erwiesen.

Klimapolitische Argumente führen wir an dieser Stelle bewusst nicht. Der Grund ist einfach: Die Energiebranche ist seit langem im mengenbasierten Emissionshandel erfasst und somit ist der Klimaschutz garantiert.

Was spricht also nach Meinung der Befürworter für eine Kraftwerksstrategie und Kapazitätsmärkte?  Hauptargument sei die Versorgungssicherheit. Deren Notwendigkeit ist unbestritten, zumal sie als letztes Pfund unseres Industriestandorts gilt. Mehr als fraglich bleibt jedoch, ob Versorgungssicherheit nur gelingen kann, wenn sie staatlich organisiert wird. Die Antwort kann nur „Nein“ lauten!

Unter rein rationalen, ökonomischen Gesichtspunkten sind sowohl die Kraftwerksstrategie als auch Kapazitätsmärkte abzulehnen.

Erfahrungen aus dem Ausland zeigen deutlich, dass ein Staatseingriff zwangsläufig weitere nach sich ziehen wird. Wer einmal Einfluss auf die Marktmacht nimmt, muss dauerhaft regulieren: Preise wollen festgelegt, Mengen müssen prognostiziert und Vorgänge gesteuert werden. Verschätzt man sich an nur einer Stelle, muss nachgesteuert und neu reguliert werden. Eine Grundannahme war falsch? Damit sind alle errechneten Bedarfe für die Tonne. Genau so gerät man in die staatliche Energiewirtschaft – einschließlich dauerhafter Subventionen und staatlicher Detailsteuerungen.

Und leider krankt die staatliche Lenkungsabsicht noch an anderen Stellen: So spricht etwa der Koalitionsvertrag von Technologieoffenheit, fokussiert sich zugleich aber einzig und allein auf Gaskraftwerke. Wo bleibt der Wettbewerb unter den Technologien? Dabei ist beispielsweise das EEG anschauliches Beispiel, wohin technologiespezifische Regulierung und Subventionen führen. Möchte das BMWE diesen Irrsinn in Bezug auf eine einzige fossile Energie nun wiederholen? Dann gibt es neben dem EEG auch ein Kraftwerks-EEG. Das kann nun wirklich keiner wollen.

Wer diese Dinge weiterdenkt, kommt von einem Problem zum nächsten. Denn jeder, der Speicher für notwendig hält, muss sofort über die nächste Subvention nachdenken. Schließlich leben Speicher von Preisschwankungen, während aber das Überangebot durch Gaskraftwerke dazu führen wird, dass Preisspitzen kaum noch vorkommen.

Steigt der Preis, werden die Gaskraftwerke staatlich subventioniert anlaufen und die Preisspitze abfangen. Daraus ergeben sich zwei Optionen: Entweder wir subventionieren zukünftig auch Speicher oder wir verzichten auf diese. Der innovativen Speicherbranche, die marktwirtschaftlich wettbewerbsfähig ist und daher baut, wird so durch staatliche Planung der Boden entzogen. Ist das ökonomisch sinnvoll?

Und es geht noch weiter: Zwar wird die Problematik der Versorgungssicherheit im Stromsektor adressiert, die Versorgungssicherheit im Bereich der Gasversorgung wird durch den gestiegenen Bedarf aber eher verschlechtert. Und auch die Industrie dürfte unter der Gasnachfrage dieser Kraftwerke leiden, da durch höhere Nachfrage logischerweise die Preise, im Übrigen auch für die CO₂-Zertifikate, steigen werden – so wird die Bezahlbarkeit im Energiesektor dann wiederum verschlechtert.

Und das sind nur wenige der vehementesten Argumente gegen Kraftwerksstrategie und Kapazitätsmärkte. Weitere finden sich beispielsweise hier.

Zwei wichtige Fragen sind aber noch zu klären.

Erstens: Was bedeutet die Kraftwerksstrategie eigentlich für die Stromkunden?

Da die Erzeuger das (finanzielle) Risiko schlicht an den Staat abtreten – auch etwas, das mit dem marktwirtschaftlichen Prinzip von Risiko und Haftung nicht vereinbar ist – und somit letztlich an die Bürger und Verbraucher, wird eben jenes Risiko von diesen zu tragen sein. Entweder der Steuerzahler wird über den Staatshaushalt in die Pflicht genommen, was bei knappen staatlichen Haushalten und sowieso schon hohen Steuern eigentlich ausgeschlossen sein sollte. Oder die Politik arbeitet mit einer Umlage auf den Strompreis, was das selbstgesteckte Ziel, die Strompreise zu senken, ad absurdum führen würde. Beihilferechtlich wird es wohl auf Letzteres hinauslaufen.

Zweitens – und das ist die Lieblingsfrage eines jeden Ökonomen: Gibt es eine bessere Alternative?

Ja, die gibt es. Der Staat kann Lehren aus der Energiekrise ziehen und eine Absicherungspflicht schaffen. Somit würde die Versorgungssicherheit sichergestellt. Aber die Frage, wie diese Absicherung von Stromlieferungen zu leisten ist, bliebe den Unternehmen überlassen, deren tägliches Geschäft die Energie ist. Also jenen, die ganz tief in der Materie stecken. Diese würden dann – auch aus Eigeninteresse – die bestmögliche und günstigste Variante aus allen denkbaren Absicherungsoptionen zusammenstellen. Damit wäre der Innovation Tür und Tor geöffnet, die die finanzielle Belastung für Verbraucher so gering wie möglich hält. So funktionieren Marktwirtschaft, Verbraucherschutz, bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit – und auch die angestrebte Versorgungssicherheit!

Autor:
Henry Borrmann

Henry Borrmann leitet den Bereich Energie- und Bildungspolitik bei DIE FAMILIENUNTERNEHMER e.V.

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