Corona: Schnellere Erholung durch Flexibilisierung
Das vorherrschende Problem auf dem deutschen Arbeitsmarkt besteht weniger darin, dass die Betriebe Entlassungen vornehmen. Verantwortlich für die gestiegene Arbeitslosigkeit ist eher die Tatsache, dass weniger eingestellt wird. Mit einer Flexibilisierung der Befristungen könnte die Einstellungsbereitschaft der Betriebe erhöht werden.
Zwar deuten erste Anzeichen darauf hin, dass sich die Wirtschaft von der Corona-Krise zu erholen beginnt, es ist aber noch nicht absehbar, wann der Stand vor der Krise wieder erreicht sein wird. Der Arbeitsmarkt wird aktuell stärker getroffen als in der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2009. Zwar federt die Kurzarbeit den größten Teil des Rückgangs der Arbeitskräftenachfrage ab, die Anzahl der Erwerbstätigen lag im Juli dennoch um 620.000 oder 1,4 Prozent niedriger als im Vorjahresmonat.
Sie wird sich erst langsam wieder erholen. Gleichsam ist die Anzahl der Arbeitslosen um 640.000 auf rund 2,9 Millionen angestiegen (Statistik der Bundesagentur für Arbeit, 2020). Diese Werte sind für sich genommen noch keine Katastrophe – sie zeigen aber, dass keineswegs damit gerechnet werden kann, dass die Corona-Krise weitgehend spurlos am Arbeitsmarkt vorbeigeht.
Das vorherrschende Problem besteht zurzeit nicht so sehr darin, dass Betriebe in großer Anzahl Mitarbeiter entlassen. Das Risiko, aus einer Beschäftigung heraus arbeitslos zu werden, war zwar im April und Mai deutlich erhöht, im Juni und den nachfolgenden Monaten zeigte sich im Vorjahresvergleich hingegen kein nennenswerter Anstieg mehr. Sofern aus den zurzeit noch rund fünf Millionen Kurzarbeitern nicht doch noch Arbeitslose werden, droht keine Corona-Entlassungswelle.
Die Chancen, aus der Arbeitslosigkeit heraus eine neue Beschäftigung zu finden, haben sich drastisch verschlechtert.
Dass der Arbeitsmarkt dennoch nicht ungeschoren davonkommt, liegt an der deutlich rückläufigen Bereitschaft der Betriebe, Einstellungen vorzunehmen. Das zeigen verschiedene Indizien. So lag die Anzahl der neu gemeldeten offenen Stellen im August um ein Viertel unter dem Vergleichswert aus dem Vorjahr. In den Monaten vor Beginn der Pandemie betrug der Rückgang lediglich 16 Prozent. Auch die Chancen, aus der Arbeitslosigkeit heraus eine neue Beschäftigung zu finden, haben sich drastisch verschlechtert. Die sogenannte Abgangschance aus Arbeitslosigkeit lag im August 22 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Der verstopfte Zugang in den Arbeitsmarkt sorgt für steigende Arbeitslosenzahlen und betrifft vor allem Berufseinsteiger und -wiedereinsteiger.
Der Befund zeigt auf, dass Maßnahmen, die auf eine beschleunigte Erholung des Arbeitsmarkts abzielen, in erster Linie die Einstellungsbereitschaft der Betriebe in den Blick nehmen müssen. In diesem Kontext ist bereits vorgeschlagen worden, für einen begrenzten Zeitraum die Sozialversicherungsbeiträge für neu eingestellte Mitarbeiter zu bezuschussen (Merkl/Weber, 2020). Die Evaluationsforschung hat gezeigt, dass Lohnkostenzuschüsse durchaus ein effektives Instrument sein können. Zu bedenken wäre indes, dass es auch institutionelle und arbeitsrechtliche Einstellungshemmnisse gibt. Eine teure Subvention wäre wirkungsvoller, wenn sie nicht zusätzlich diese Hemmnisse kompensieren müsste. Nicht alle Einstellungshemmnisse sind disponierbar. So wird man den gesetzlichen Kündigungsschutz beibehalten wollen. Bei der Regulierung flexibler Beschäftigungsformen gäbe es aber Spielraum, ohne das Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer übermäßig zu beeinträchtigen.
Ein Beispiel ist die Befristung von Arbeitsverträgen. Befristungen könnten den Betrieben die Entscheidung erleichtern, die wieder steigende Arbeitskräftenachfrage durch Einstellungen zu bewältigen, weil das damit verbundene wirtschaftliche Risiko vermindert wird. Die Gegenbuchung besteht in einer geringeren Beschäftigungssicherheit der Arbeitnehmer gegenüber der Alternative der unbefristeten Beschäftigung. Da Unsicherheit nicht als Sachgrund für eine Befristung anerkannt wird, käme nur eine sachgrundlose Befristung infrage. Diese ist in Deutschland aber nur bei Neueinstellungen erlaubt, das heißt, der Arbeitnehmer darf nicht zuvor schon einmal beim Unternehmen beschäftigt gewesen sein. Damit ist es zum Beispiel nicht möglich, Arbeitnehmer, die in der Krise entlassen werden mussten, sachgrundlos befristet wieder einzustellen. Vor diesem Hintergrund wird vorgeschlagen, dieses Vorbeschäftigungsverbot zeitlich begrenzt auszusetzen (Schäfer, 2020). Eine Begleitforschung könnte aus diesem Experiment wertvolle Erkenntnisse für die künftige Gestaltung der Befristungsregeln gewinnen.
Befragungsergebnisse (zur Civey-Umfrage, siehe auch Grafik oben) bieten ein Indiz dafür, dass die vorgeschlagene Maßnahme durchaus einen positiven Effekt auf die Einstellungsbereitschaft haben könnte. Mehr als ein Drittel der befragten Personalverantwortlichen gibt an, dass sie mit einem deregulierten Befristungsrecht mehr Mitarbeiter neu einstellen würden. Die Hälfte der Befragten verneint dies zwar – dabei handelt es sich aber auch um Unternehmen, die zum Beispiel das Instrument der Befristung generell nicht nutzen oder die generell zurzeit keinen Bedarf an neuen Mitarbeitern haben.
Literatur
- Merkl, Christian / Weber, Enzo, 2020, Raus aus der Neueinstellungskrise!, in: Wirtschaftsdienst, 100. Jg., 7, S. 507-509
- Statistik der Bundesagentur für Arbeit, 2020, Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt– Monatsbericht zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt, August 2020, Nürnberg
- Schäfer, Holger, 2020, Die Arbeitsmarktverfassung in Deutschland nach der Corona-Krise: Optionen für eine beschleunigte Erholung, Gutachten im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft
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Autor:
Holger Schäfer ist Senior Economist für Beschäftigung und Arbeitslosigkeit beim Institut der deutschen Wirtschaft.