Chancen des Wechselmodells an Schulen nutzen

Um steigenden Infektionszahlen entgegenzuwirken, wurden im Zuge des Lockdowns auch die Schulen im Dezember vor den Weihnachtsferien geschlossen und seitdem auf Fernunterricht gewechselt. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass sich durch Schulschließungen die Ungleichheit der Bildungschancen verschärfen dürfte. Seit Anfang Januar sinken die Infektionszahlen deutlich, jedoch wird befürchtet, dass durch Mutationen des Virus wieder steigende Infektionszahlen auftreten könnten. Vor diesem Hintergrund sollten die Chancen eines Wechselmodells an Schulen näher betrachtet werden.

Im Zuge der Corona-Krise kam es im Frühjahr 2020 und Winter 2020/2021 zu insgesamt mehrmonatigen Schulschließungen. Empirisch können die Effekte der Schulschließungen auf die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler durch internationale Studien zu Lehrerstreiks und erste internationale Untersuchungen nach dem ersten Lockdown abgeschätzt werden. Im Ergebnis zeigen diese Untersuchungen, dass erhebliche Verluste an Kompetenzen bei den Schülerinnen und Schülern resultieren dürften.

Die Verluste sind dabei den Untersuchungen zufolge bei Kindern an Grundschulen höher als bei Schülerinnen und Schülern in weiterführenden Schulen, die besser durch digitalen Fernunterricht Lernverluste kompensieren können. Die Verluste sind zudem besonders groß bei Kindern aus bildungsfernen Haushalten, die häufig weniger gut bezüglich der Lerninfrastruktur (eigenes digitales Endgerät, ruhiger Platz zum Arbeiten) ausgestattet sind und bei denen die Eltern weniger gut den Lernprozess der Kinder zu Hause unterstützen können.

Die Meta-Studie zur Bildungsqualität von Hattie zeigt deutlich, dass regelmäßiges Feedback der Lehrkräfte an die Schülerinnen und Schüler und das Feedback an Lehrkräfte für die Qualität des Unterrichts besonders wichtig sind. Aktuelle Befragungen von Lehrkräften zeigen aber weiterhin, dass diesbezüglich im Fernunterricht Defizite nicht zu vermeiden sind.

„Ein Wechselmodell beseitigt nicht nur die Sorgen um Bildungsmängel, sondern verhindert auch, dass Schulen zu Treibern des Infektionsgeschehens werden.“

Eine aktuelle Untersuchung des DIW (Familienmonitor Corona) zeigt, dass sich jeder zweite Elternteil besonders große Sorgen um die Bildung der Kinder macht. Die Sorgen sind dabei im Januar 2021 noch einmal deutlich im Vergleich zum Mai 2020 gestiegen und überwiegen deutlich die Sorgen der Familien um deren eigene wirtschaftliche Situation.

Die emotionale Debatte um Schulöffnung oder Schulschließung fokussiert aktuell noch zu stark auf Präsenzunterricht oder Schulschließung. Ein dritter Weg besteht in einem Wechselmodell mit halben Klassen. Durch das Wechselmodell können das Feedback an Schülerinnen und Schülern intensiviert und zugleich durch halbe Klassenstärke Abstände vor Ort besser eingehalten werden. In einigen Modellen werden die (halben) Schulklassen wöchentlich abwechselnd vor Ort in Präsenz und zu Hause aus der Ferne (digital) unterrichtet.

Vorteil hierbei ist, dass ein Infektionsfall in der einen Klassenhälfte über die Lehrkraft mit geringerer Wahrscheinlichkeit an die Schülerinnen und Schüler der anderen Klassenhälfte übertragen werden kann als im täglichen Wechselmodell. Der Nachteil besteht darin, dass Schülerinnen und Schüler über eine Woche am Stück im Fernunterricht mit weniger direktem Feedback unterrichtet werden.

Einen dritten Weg neben täglichem und wöchentlichem Wechselmodell ist in Österreich geplant. Hier soll die eine Gruppe am Montag und Dienstag vor Ort beschult werden, die andere am Mittwoch und Donnerstag. Jeweils vor der zweitägigen Präsenzphase sollen die Schülerinnen und Schüler einen Schnelltest selbst durchführen, dessen negatives Ergebnis Voraussetzung der Teilnahme am Präsenzunterricht ist.

Bildungseffekt durch Grundschulöffnung

Da nach bisherigen Erkenntnissen der Unterricht bei kleineren Kindern in der Grundschule weniger Ansteckungsrisiko bedeutet als der Unterricht von Jugendlichen in den weiterführenden Schulen und zugleich diese Kinder aber mehr Schwierigkeiten mit dem Fernunterricht haben, sollte (sofern es die Infektionslage zulässt) als erster Schritt aus dem Lockdown das Wechselmodell mit halber Klasse an den Grundschulen beginnen. Die aktuell von einer Expertengruppe erarbeiteten und bewerteten S3-Leitlinien zu Kohortenbildung, Masken, Schulwegen, Lüftung, Verdachtsfällen und Quarantäne sollten umgesetzt und durch Schnelltests an den Schulen ergänzt werden. Ferner könnte die Präsenzpflicht an Schulen ausgesetzt werden.

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Autor:

Prof. Dr. Axel Plünnecke ist stellvertretender Leiter des Wissenschaftsbereichs Bildungspolitik und Arbeitsmarktpolitik und Leiter des Kompetenzfelds Humankapital und Innovationen beim Institut der deutschen Wirtschaft.

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