Arbeitskosten fast doppelt so hoch wie Nettolohn

Arbeitnehmer interessiert vor allem der Nettolohn, für Arbeitgeber sind dagegen die gesamten Arbeitskosten eine entscheidende Größe. Die Differenz der beiden Werte wird Tax Wedge genannt. Die ist in Deutschland besonders hoch. Das ist ein Problem. Denn die große Spanne macht Schwarzarbeit attraktiv und verschärft Beschäftigungsprobleme.

Vor Kurzem hat das Statistische Bundesamt Zahlen zum internationalen Vergleich der Arbeitskosten vorgelegt. Deutschland belegt darin bezogen auf die Gesamtwirtschaft einen Platz im oberen Drittel und ist um 31 Prozent teurer als der EU-Durchschnitt.

Im Verarbeitenden Gewerbe, das im Mittelpunkt des internationalen Wettbewerbs steht, sind in der EU lediglich Dänemark und Belgien teurer als Deutschland. Hier beträgt das Kosten-Handicap gegenüber dem EU-Durchschnitt sogar 46 Prozent. Bezogen auf die Lohnnebenkosten je 100 Euro Bruttoverdienst schneidet Deutschland dagegen günstig ab und liegt mit 27 Euro deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 32 Euro.

Sind hohe Lohnnebenkosten in Deutschland also kein Problem und sind damit auch die Rufe nach einer Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge ungerechtfertigt?

Die Arbeitskosten, die er oder sie erwirtschaften muss, sind fast doppelt so hoch wie der daraus resultierende Nettolohn.

Die Lohnnebenkostenquote sagt nur etwas über die Schere zwischen Bruttolöhnen und Arbeitskosten aus. Im Interesse des Arbeitnehmers sind hohe Nettolöhne, während der Arbeitgeber seine Arbeitskosten möglichst niedrig halten will. Beides in Einklang zu bringen ist daher bei einer großen Lücke zwischen beiden Größen, der sogenannten Tax Wedge, besonders schwer.

Hier schneidet Deutschland im internationalen Vergleich schlecht ab: Für einen alleinstehenden Durchschnittsverdiener machen Sozialversicherungsbeiträge von ihm selbst und seinem Arbeitgeber zusammen mit der Einkommensteuer 49 Prozent der Arbeitskosten aus.

Oder anders gewendet: Die Arbeitskosten, die er oder sie erwirtschaften muss, sind fast doppelt so hoch wie der daraus resultierende Nettolohn. Unter den OECD-Staaten ist das Verhältnis nur in Belgien schlechter. Im OECD-Durchschnitt beträgt die Lücke zwischen Arbeitskosten und Nettolohn dagegen nur knapp 35 Prozent der Arbeitskosten und ist damit um mehr als 14 Prozentpunkte niedriger als in Deutschland (Abb. 1).

Auch Länder mit einer sehr hohen Lohnnebenkostenquote wie Frankreich und Italien haben eine etwas geringere Tax Wedge als Deutschland. Die skandinavischen Wohlfahrtsstaaten schneiden mit einer Tax Wedge zwischen 42,7 (Schweden) und 35,2 Prozent (Dänemark) ebenfalls deutlich günstiger als Deutschland ab.

Ähnlich sind die Ergebnisse, wenn man Familien mit Doppelverdienern (ein Partner Durchschnittsverdienst, der andere zwei Drittel des Durchschnittsverdiensts, zwei Kinder) betrachtet. Auch hier liegt Deutschland an zweiter Stelle hinter Belgien. Die Tax Wedge ist dabei mit 41,5 Prozent niedriger, nicht zuletzt weil das Kindergeld oder Kinderfreibeträge gegengerechnet werden.

Ähnliches gilt aber auch für das Ausland, sodass der Abstand zum OECD-Durchschnitt mit knapp 13 Prozent kaum kleiner ist als im Modellfall des Alleinstehenden. Etwas günstiger schneidet Deutschland lediglich bei einer vierköpfigen Familie mit Alleinverdiener-Modell ab. Hier kommt Deutschland mit knapp 33 Prozent auf den neunthöchsten Wert und übertrifft den OECD-Durchschnitt um 8,5 Prozentpunkte.

  • Quelle: OECD

Steuern und Sozialbeiträge machen in Deutschland also einen im internationalen Vergleich sehr hohen Anteil an den Arbeitskosten aus. Damit ist der Faktor Arbeit im internationalen Vergleich hoch belastet. Dies macht Schwarzarbeit attraktiv und verschärft die Beschäftigungsprobleme besonders im Niedriglohnbereich. Denn ein auskömmliches Nettoeinkommen führt durch die große Tax Wedge zu hohen Arbeitskosten. Daher ist es wichtig, die Sachleistungen des Staates (Lohnersatzleistungen, Gesundheitswesen, Bildung und Infrastruktur) möglichst effizient bereitzustellen und ihren Umfang so auszutarieren, dass die Allgemeinheit ihren Nutzen höher bewertet als ihre Kosten.

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Autor:

Christoph Schröder ist Senior Researcher beim Institut der deutschen Wirtschaft.

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