Unkündbar, unflexibel, überprivilegiert – weg mit dem Berufsbeamtentum!

Beamte bekommen im Durchschnitt 3.240 Euro Pension, Rentner im Durchschnitt nur 1.125 Euro. Arbeitsministerin Bärbel Bas möchte sie deshalb in die Rentenversicherung einbeziehen. Sinnvoller und realistischer wäre eine radikale Lösung, sagt unser Gastautor Thorsten Alsleben.

Am 15. Mai 2025 als Gastbeitrag von Thorsten Alsleben bei WELT.

Beamte sollen in die Rente zahlen? Klingt erst einmal gut. Niemand kann nachvollziehen, warum Beamte im Durchschnitt 3.240 Euro Pension bekommen, aber Rentner im Durchschnitt nur 1.125 Euro.

Bärbel Bas lag zwar mit ihrem Vorstoß, auch zum Leidwesen ihres eigenen Ministeriums, fachlich und verfassungsrechtlich daneben. Genauso wenig wie das Grundgesetz eine grundlegende Veränderung der Altersversorgung bei Beamten zulässt, lässt unsere Verfassung die zwangsweise Umwandlung von Beamten- in Angestelltenverhältnisse zu. Politisch hat sie aber eine wichtige Debatte angestoßen, aus der etwas viel Größeres folgen sollte: Das Ende des deutschen Verfassungsdinosauriers „Berufsbeamtentum“. Denn die allermeisten Aufgaben, die der Staat erfüllen muss, können auch Angestellte erledigen.

Es gab mehrere Gründe für die Einführung des Berufsbeamtentums, das vor allem vom Preußen-König Friedrich Wilhelm I. geprägt wurde: besonderes Treueverhältnis mit gemäßigtem Auftritt nach außen; Unkündbarkeit, um einem Dienstvorgesetzten widersprechen zu können. Die Unabhängigkeit sollte sich auch mit einer auskömmlichen Altersversorgung für die Familie zeigen. Heute zählen aus Sicht des Dienstherren als Hauptvorteile vor allem das Streikverbot und die jederzeitige Versetzbarkeit.

Die meisten Argumente fallen aber weg: Auch Angestellte im öffentlichen Dienst kann man nicht einfach entlassen, nur weil sie ihrem Vorgesetzten widersprechen. Deutschland ist mit 18 Streiktagen pro 1.000 Beschäftigten ein ohnehin streikarmes Land. Und während die schon jetzt zulässigen Streiks bei der den öffentlichen Einrichtungen von Abfallentsorgung, über Kitas bis Verkehrsbetrieben sofort zu Beeinträchtigungen führen, dürften bislang unzulässige Streiks in Ministerien oder im Finanzamt den Bürger im Regelfall weniger belasten.

Gefangen in goldenen Käfigen

Stattdessen entwickelt sich der Beamtenstatus zum Bremsklotz für Leistungsträger und zum Stopp-Schild für eine innovative Verwaltung: Die Beamten sind gefangen in goldenen Käfigen. Ich habe es als privater Arbeitgeber mehrfach erlebt, dass Beamte sehr gerne gewechselt hätten, aber dieser Wechsel mit dem Verzicht auf Privilegien und Pension – selbst bei angebotenem höherem Gehalt – unattraktiv war. Damit schafft man frustrierte Dienst-nach-Vorschrift-Beamte, die ihr volles Potenzial nicht ausschöpfen. Der vielfach geforderte, in anderen Ländern übliche Austausch zwischen Wirtschaft und Verwaltung ist durch die Brandmauer Berufsbeamtentum weitgehend unterbunden.

Am problematischsten am Beamtenstatus ist, dass er die Verschlankung der Verwaltung verhindert: Beamte kann man nicht betriebsbedingt kündigen, selbst wenn die Politik ihre Aufgaben streicht. Und so erschwert der Beamtenstatus, dass Abteilungen gestrichen und Behörden ganz abgeschafft werden. Man kann Beamte theoretisch dahin versetzen, wo der Staat mehr zu tun hat, aber praktisch passiert das nicht: Wie soll auch ein Beamter, der jahrelang Förderanträge geprüft hat, plötzlich Grenzsicherung übernehmen?

So kommt es zu so skurrilen Behörden wie der „Bundesanstalt für Post und Telekommunikation“, deren einzige Aufgabe es ist, die Beamten und Pensionäre der früheren Staatspost, die seit 1995 privat organisiert und mittlerweile in den Dax-Konzernen Telekom und DHL aufgegangen ist, zu verwalten.

Es ist nicht erklärbar, warum beim TÜV Angestellte die Fahrzeuge prüfen, in der Kfz-Zulassungsstelle aber Beamte arbeiten. Warum überwachen bei der Flugsicherung Angestellte den Luftraum, aber im Flugsicherungsreferat im Ministerium sitzen Beamte? Warum sollen Lehrer verbeamtet sein, aber Erzieher angestellt? Und wenn wir ehrlich sind, gibt es inzwischen in fast allen Behörden für die gleichen Aufgaben auch jetzt schon Angestellte: Von den gut 300.000 Beschäftigten in der Bundesregierung sind mehr als ein Drittel keine Beamte.

Polizei-, Zoll- und Justizvollzugsdienst

Eine Ausnahme sollte es aber geben: Für sicherheitsrelevante hoheitliche Bereiche wie Polizei-, Zoll- und Justizvollzugsdienst sollte der Beamtenstatus erhalten bleiben. Hier ist es sinnvoll, dass es ein Streikverbot gibt und die Personen ein besonders sicheres Arbeitsverhältnis haben, setzen sie sich doch auch oft der Gefahr für Leib oder Leben aus.

Diese Empfindung gibt es genau so in der Bevölkerung: Eine repräsentative Civey-Umfrage im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft im vergangenen Sommer ergab, dass die Mehrheit in nahezu allen Bereichen lieber Angestellte als Beamte beschäftigen würde: Kommunalverwaltung (80 Prozent), Ministerialverwaltung (77 Prozent), Uni-Professoren (70 Prozent) und sogar bei Lehrkräften (65 Prozent). Nur im Polizeivollzugsdienst ist die Mehrheit für die Beibehaltung des Beamtenstatus (62 Prozent).

Wenn Frau Bas also demnächst vor ihren öffentlichen Äußerungen ihre Fachbeamten fragt, wird sie von denen erfahren, dass man Beamte nicht einfach ins Rentensystem einbeziehen kann. Und wenn sie dann durchsetzt, künftig Neubesetzungen nur noch rentenversicherungspflichtig anzustellen statt zu verbeamten, hätte sie mehr für die Reform des öffentlichen Dienstes und des Landes getan als jeder Innen- oder Arbeitsminister vor ihr.

Autor:
Thorsten Alsleben

Thorsten Alsleben Geschäftsführer der INSM

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Soziales – Hilfe zur Selbsthilfe in der Sozialen Marktwirtschaft

Die Gesellschaft hilft jenen, die sich nicht selbst helfen können. Dies ist ein zentrales Element der Sozialen Marktwirtschaft. Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft will das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe" stärken. Ansprüche auf Rundum-Absicherung sind schwer finanzierbar. Private Vorsorge ist ein wichtiger zusätzlicher Pfeiler. Klar ist aber auch: Die Solidarität mit den Bedürftigen der Gesellschaft ist Kern der Sozialen Marktwirtschaft.

Beitragssätze der gesetzlichen Sozialversicherungen

in %
4924,50
Beitragssatz 2025Beitragssätze 2040
  • Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)
  • Gesetzliche Rentenversicherung (GRV)
  • Soziale Pflegeversicherung (SPV)
  • Arbeitslosenversicherung (ALV)
  • Insgesamt

Dauer des Rentenbezugs in Deutschland

in Jahre
2110,50
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Anzahl der Renten in Deutschland

in Millionen
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Sozialbudget in Deutschland

in Milliarden Euro
1.4007000
'70'80'91'00'05'10'15'16'17'18'19'20'21'22

Bundeszuschüsse zur gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland

in Mrd. €
8944,50
'90'91'92'93'94'95'96'97'98'99'00'01'02'03'04'05'06'07'08'09'10'11'12'13'14'15'16'17'18'19'20'21'22'23
  • Bundeszuschüsse zur gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland