Habecksteuer: Sozialabgaben auf Kapitalerträge fressen deine private Altersvorsorge
Keine gute Idee, Robert Habeck!
Robert Habeck hat eine kontroverse Debatte angestoßen. In der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ forderte er, in Zukunft Sozialbeiträge auf Kapitalerträge zu erheben. „Wir würden gern die Beitragsgrundlage erhöhen”. Habeck kritisierte, dass Kapitalerträge bislang von Sozialversicherungsbeiträgen freigestellt seien. Arbeitslöhne würden dadurch stärker belastet als Kapitalerträge. „Deswegen schlagen wir vor, dass wir auch diese Einkommensquellen (…) sozialversicherungspflichtig machen”, sagte Habeck.
Nach aufkommender Kritik aus verschiedenen politischen Lagern wurde von ihm selbst und anderen Grünen-Politikern hinzugefügt, dass nur „Millionäre“ belastet werden sollten. Die Grünen würden Freibeträge für Kapitalerträge „deutlich über 1.000“ vorsehen. Die genauen Regeln könnten nach der Wahl von Bürgerräten diskutiert werden, sagte Habeck zwei Tage nach seinem ARD-Interview.
Grünes Wahlprogramm und Grundsatzprogramm: Alle sollen belastet werden
Diese Aussagen stehen im Widerspruch zum Entwurf des grünen Wahlprogramms, in dem es heißt:
„Die Beitragsbemessung werden wir reformieren und beispielsweise auch Kapitaleinnahmen zur Finanzierung unseres Gesundheits- und Pflegesystems heranziehen.“[1]
Beitragsbemessungsgrenzen im deutschen Sozialrecht kennen aber keinen Deckel nach unten, sondern nur nach oben. Sprich: Würden die Kapitalerträge so zur Beitragsbemessung hinzugezogen, wie dies aktuell schon bei Selbständigen geschieht, die freiwillig in der Gesetzlichen Krankenversicherung sind, würden gerade Personen mit hohen Kapitalerträgen nicht stärker belastet – sondern Sparer aus der Mittelschicht.
Auch in ihrem Grundsatzprogramm sprechen sich die Grünen für Sozialbeiträge auf Kapitalerträge der breiten Masse aus:
“Solidarität lebt davon, dass sich alle an ihr beteiligen. Die Sozialversicherungen sollen deshalb zu Bürger*innenversicherungen weiterentwickelt werden, sodass alle Menschen vom Schutz der Sozialversicherungen profitieren und sich entsprechend ihren Einkommen, egal ob aus selbstständiger Arbeit, Lohn oder Kapitalerträgen, solidarisch beteiligen.”[2]
Diese Passage steht noch dazu im Kapitel “Rente”, d.h., dass die Grünen sich nicht nur für eine Erhebung von Beiträgen für die Kranken- und Pflegeversicherung, sondern mindestens auch für die Erhebung von Rentenbeiträgen aussprechen. Das wären weitere 18,6 Prozent, die die Sparer auf ihre Kapitalerträge zahlen müssten. Da sie allgemein von Sozialversicherungen sprechen, kämen ggf. noch 2,6 Prozent für die Arbeitslosenversicherung dazu.
Die meisten Aktiensparer kommen aus der Mittelschicht
Veronika Grimm, Mitglied der fünf Wirtschaftsweisen, weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in Deutschland oftmals eine falsche Vorstellung von dem Vermögen von Aktiensparern besteht:
“Interessant: Wenn man Aktionäre sagt, triggert man in Deutschland: Ah – die Reichen! Genau das ist das Problem.“
Nach den aktuellen Zahlen des Deutschen Aktieninstituts haben aber nur knapp 14 Prozent aller Besitzer von Aktien oder Aktienfonds ein monatliches Netto-Einkommen von mehr als 4.000 Euro. Die größte Gruppe stellen die Bezieher eines Netto-Einkommens von 2.000 bis 3.000 Euro, gefolgt von denjenigen mit einem Netto-Einkommen von 1.000 bis 2.000 Euro.
Private Altersvorsorge wird noch schwerer
Außerdem: Wer privat für das Alter vorsorgt, beispielsweise über einen kostengünstigen ETF-Sparplan, weiß: Der im Raum stehende Freibetrag von 1.000 Euro klingt auf den ersten Blick vielleicht viel, ist es aber nicht. Wer z.B. 25.000 Euro an ETFs hält und mit seinem Depot 5% Rendite erzielt (eine eher konservative Rechnung, wenn man sich beispielsweise die Entwicklung des MSCI World ansieht), würde den Freibetrag bereits überschreiten.
Nachdem die Politik die Bürger über viele Jahre – und richtigerweise in Anbetracht des demografischen Wandels – immer wieder zu privater Altersvorsorge ermutigt hat, würde diese Maßnahme ihren Sparbemühungen einen entscheidenden Dämpfer verpassen. Das IW Köln hat vorgerechnet, was beispielsweise bei 5 Prozent Rendite auf eine Anlagesumme von 100.000 Euro übrigbleiben würde: Die Brutto-Rendite beträgt 5.000 Euro. Wenn man 1.000 Euro Sparerpauschbetrag abzieht, bleiben bei knapp 26 Prozent Steuern inkl. Soli nach Steuern 3.945 Euro übrig. Dazu würden nochmals – wenn die ersten 1.000 Euro auch von der Verbeitragung ausgenommen würden – 852 Euro Sozialbeiträge abgezogen. Von 5 Prozent bliebe als Nettorendite gerade einmal 3,1 Prozent übrig.
Solidarischer? Höchstens auf den ersten Blick
Auch überzeugt das Argument, dass die aktuellen Regelungen unsolidarisch seien, höchstens auf den ersten Blick. Schließlich bespart ein Arbeitnehmer seine private Altersvorsorge aus seinem bereits versteuerten und verbeitragten Netto-Gehalt. Und auch bei ausschüttenden Unternehmen wird in der Debatte oft unterschlagen, dass vor Ausschüttung der Unternehmensgewinn bereits mit Körperschaftssteuer plus Soli sowie Gewerbesteuer versteuert wird. Die Ausschüttung wird beim Anleger dann weiterhin mit Abgeltungssteuer und Soli versteuert. Insgesamt landet von 1.000 Euro Unternehmensgewinn weniger als die Hälfte auf dem Konto des Anlegers.
Noch mehr Bürokratie für Sparer und Kassen
Hinzu kommt noch der bürokratische Aufwand, der für die Sparer entstehen würde. Die Sozialbeiträge werden für ihn unbürokratisch vom Arbeitgeber direkt an die Sozialkassen abgeführt. Die Kapitalertragssteuer wird für ihn genauso unbürokratisch direkt von den Banken abgeführt. Da der Arbeitgeber nicht weiß, welche Kapitalerträge ein Arbeitnehmer hat und die Banken nicht wissen, welche Beiträge ein Sparer bereits gezahlt hat, bliebe es wohl am Arbeitnehmer/Sparer selbst hängen, seine Kapitalerträge Jahr für Jahr bei der Krankenversicherung zu melden. So läuft es aktuell auch bei den Selbständigen, die freiwillig gesetzlich versichert sind.
Auch zu bedenken ist, dass Sparer bei Anlagen in Aktien oder ETFs bewusst ins Risiko gehen, um höhere Renditen zu erzielen. Bei der Kapitalertragssteuer wird dafür Rechnung getragen. Im Falle von Verlusten können diese den Gewinnen entgegengerechnet werden. Daher wäre es nur folgerichtig, dass ein Sparer, der Verluste verzeichnet hat, nachträglich vom Lohn geleistete Sozialbeiträge zurückerstattet bekommen müsste. Wenn der Sparerpauschbetrag bereits ausgeschöpft ist, landet von 1.000 Euro Unternehmensgewinn bei einer durchschnittlich hohen Gewerbesteuer nur knapp die Hälfte auf dem Konto des Anlegers.
Zusammenfassung
Der Vorschlag von Robert Habeck enthält viele offene Fragen, ist aber bereits jetzt keine gute Idee. Die ohnehin im internationalen Vergleich sehr hohe Steuer- und Abgabenlast würde nochmals erhöht. Der Vermögensaufbau der Deutschen – die international bereits jetzt relativ wenig Vermögen besitzen – würde zusätzlich erschwert. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels braucht es genau das Gegenteil: Entlastung und Anreiz zur privaten Vorsorge, da die gesetzliche Rentenversicherung allein keine auskömmliche Rente ermöglicht.
Noch dazu lenkt der Vorschlag vom eigentlichen Problem ab, nämlich der Reformbedürftigkeit der sozialen Sicherungssysteme in Zeiten von immer mehr Rentnern und immer weniger Arbeitnehmern. Anstatt immer mehr Geld in ein kaputtes System zu leiten, sollte das System reformiert und demografiefest gemacht werden. Das wäre mal eine gute Idee.