Die Rede, die ein großer Kanzler jetzt halten würde.

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Meine sehr verehrten Damen und Herren,

wir befinden uns in einer weltpolitisch kritischen Lage. In Europa tobt seit drei Jahren ein Krieg. Das westliche Verteidigungsbündnis steht vor einer Bewährungsprobe. Auch die EU muss neue Schwerpunkte setzen und zu mehr Entschlossenheit und Handlungsfähigkeit finden. Deutschland muss bei diesen Herausforderungen eine wichtige Rolle spielen, aber Deutschland kann nur dann auch international eine wichtige Rolle spielen, wenn wir als Wirtschaftsmacht stark sind und wenn unsere Innovationskraft sowie unsere Wettbewerbsfähigkeit diese Stärke auch für die Zukunft garantieren.

Doch genau das ist aktuell nicht mehr gegeben. Deutschland ist in keinem guten Zustand. Gehen Sie doch mal in eine deutsche Innenstadt. Schauen Sie sich einmal um: Sie werden Leerstand sehen. Sie werden verwaiste Industrieanlagen sehen. Sie werden weniger Baustellen sehen – und auf denen, die Sie sehen, geht es nicht voran.

Das Land, das wir alle lieben, befindet sich in der schwersten Wirtschaftskrise seit dem zweiten Weltkrieg. Diese Krise ist nicht über Nacht gekommen, sie ist das Ergebnis jahrzehntelangen politischen Wegduckens, kleinteiliger Kompromisse und der Illusion, dass sich alle Probleme durch immer mehr Gesetze und Verordnungen lösen ließen. Und nein: Schuld daran sind nicht die anderen – sondern WIR. In hohem Maße die Politik, genauso wie meine eigene Partei. Die Wahrheit ist aber auch: So geht es nicht weiter. Unser Land verliert an Dynamik, an Vertrauen, an Kraft. Wir werden das ändern – von diesem Tag an.

Lassen Sie uns ehrlich sein: Es geht nicht um kosmetische Korrekturen. Es geht um fundamentale Reformen. Ohne Wachstum geht unserem Land schon bald das Geld aus. Und ohne Wachstum müssen wir umverteilen, anstatt zu investieren. So kann keine Volkswirtschaft auf Dauer überleben. Und ja, das haben Sie richtig gehört. Es geht um alles – es geht um das Überleben unserer Volkswirtschaft.

Aber es gibt auch gute Nachrichten.

Erstens: Es ist noch nicht zu spät.

Zweitens: Es gibt genügend Forschung und klare Analysen, die uns sagen, was jetzt zu tun ist.

Drittens: Wir setzen es ab sofort um.

Jetzt ist nicht die Zeit für parteitaktische Spielchen. Jetzt ist nicht die Zeit, um auf die nächste Bundestagswahl zu schielen. Jetzt ist die Zeit zu handeln. Und mutig zu sein. Entscheidungen zu treffen, die weh tun. Aber die auf lange Sicht die Heilung unserer Volkswirtschaft ermöglichen.

Durch die einzige Medizin, die es gibt: Strukturreformen, die alle Zeichen auf Wachstum stellen. Der letzte mutige Kanzler, der eine solche Agenda angestoßen hat, war ein Sozialdemokrat: Gerhard Schröder. Und ihm gehört dafür, ungeachtet anderer kritischer Punkte in seiner Vita, mein vollster Respekt. Er hat sich damit einen Platz im wirtschaftspolitischen Geschichtsbuch unseres Landes verdient. Ein Geschichtsbuch, das einst mit Ludwig Erhard und dem Wirtschaftswunder begann. Nun ist es Zeit, das nächste Kapitel zu schreiben.

In den kommenden Wochen wird mein Kabinett ein Sofort-Reform-Paket vorstellen. Wir nennen es die deutsche Comeback-Agenda. Weil es bei dieser Agenda nicht um Jahreszahlen geht. Nicht um Versprechungen in ferner Zukunft. Sondern um alles. Das deutsche Comeback startet hier. Und es startet sofort.

Wir fangen bei uns an: Wir werden die Regierung verkleinern und zwei Ministerien abschaffen.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit macht oft Nebenaußenpolitik. Zugleich fehlt ein Fokus auf echte wirtschaftliche Zusammenarbeit, die von Unternehmen – gerade aus dem Mittelstand – getragen werden sollte. Deshalb teilen wir die Aufgaben des BMZ auf das Auswärtige Amt und das Bundeswirtschaftsministerium auf.

Da wir erhebliche und sehr ähnliche demografische Probleme in allen Sozialversicherungen haben, werden wir die Zuständigkeit für Gesundheit, Pflege und Rente in einem Bundesministerium für Soziales zusammenfassen. Die Zuständigkeit für Arbeit ist wichtiger Bestandteil für eine funktionierende Wirtschaftspolitik und kommt ins Wirtschaftsministerium, das schon zu Zeiten der Hartz-Reformen unter dem Sozialdemokraten Wolfgang Clement als Wirtschafts- und Arbeitsminister sehr erfolgreich war. Und so schaffen wir ein weiteres Ministerium ab.

Damit wird eine personelle Kabinettsumbildung einhergehen, die ich gemeinsam mit unserem Koalitionspartner in den nächsten Tagen verkünden werde und die einen neuen Schwung entfalten wird.

Auch sonst werden wir in der Bundesregierung einsparen. Ab sofort wird für drei ausscheidende Beschäftigte nur noch eine Stelle neu besetzt. Dabei wollen wir nicht mehr verbeamten, sondern nur noch – wie jeder andere Arbeitgeber auch – sozialversicherungspflichtig Beschäftigte einstellen. Eine Ausnahme bilden nur die Bundespolizei und die Justiz. Damit wird künftig in der Bundesverwaltung auch garantiert, dass alle neuen Beschäftigten in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen.

Wir werden Bürokratieabbau endlich machen und nicht nur ankündigen. Das Lieferkettengesetz wird noch in diesem Jahr endgültig abgeschafft und in der EU werden wir uns dafür einsetzen, dass das Europäische Lieferkettengesetz nicht nur viel bürokratieärmer wird, sondern erst kommt, wenn das Wachstum in Deutschland wieder dauerhaft über 1 Prozent liegt.

Die Berichtspflichten werden – wie im Koalitionsvertrag versprochen – um 25 Prozent gesenkt. Und zwar noch in diesem Jahr. Und die vom Digitalminister aufgelisteten überflüssigen Regulierungen werden wir noch im 1. Quartal 2026 abschaffen und dadurch den Bürokratieaufwand um rund 5 Milliarden Euro reduzieren.

Wir werden unser Steuersystem reformieren. Die schon geeinigte Unternehmensteuer kommt nicht erst 2028 und in kleinen Schritten bis 2031, sondern sie kommt sofort. Zum 1.1.2026 sollen die Unternehmensteuer auf ein international vergleichbares Maß gesenkt werden: Die schon beschlossenen fünf Prozentpunkte weniger kommen auf einmal und sofort.

Wir werden die sozialen Sicherungssysteme umfassend reformieren. Wir werden dafür zunächst die Verwaltungen straffen, Mehrfachstrukturen abschaffen und Prozesse digitalisieren. Die regionalen Rentenversicherungsträger und die Knappschaft werden zu einer großen Bundesagentur für Altersvorsorge zusammengefasst.

Die Zahl der gesetzlichen Krankenversicherungen wird von knapp 100 auf rund 30 reduziert. Wir werden dabei mehr Freiheiten für Wettbewerb beim Leistungskatalog und bei der Beitragsgestaltung geben. Der Beitragseinzug soll künftig nicht mehr durch alle Krankenversicherungen getrennt, sondern einheitlich über die Bundesagentur für Arbeit erfolgen.

Wir werden die Eigenvorsorge stärken: Wer höheren Selbstbehalt hat, muss weniger Beitrag zahlen. Wer mehr Vorsorge betreibt, muss weniger Beiträge zahlen. Für Arztbesuche gibt es einen verpflichtenden, aber vertretbaren Eigenanteil. Wir werden die Krankenhausreform noch konsequenter umsetzen und noch stärker auf die Qualität achten. Wer die Qualität nicht liefert, darf kein Krankenhaus betreiben.

In der Rente werden wir den Nachhaltigkeitsfaktor – wie aktuell im Gesetz vorgesehen – ab 2026 wieder greifen lassen. Das heißt auch: Egal wie sich Löhne oder Beschäftigtenzahlen entwickeln. Es wird niemals Rentenkürzungen geben. Aber wir müssen die Rentensteigerungen abmildern, damit das System finanzierbar bleibt. Wir werden nach Erreichen der Rente mit 67 das Renteneintrittsalter moderat an die steigende Lebenserwartung anpassen. Wer länger lebt, soll auch mehr Ruhestandszeit genießen, aber für drei Monate längeres Leben, sollen zwei im Berufsleben und einer in der Rente verbracht werden, um die Belastungen für die Beitragszahler nicht zu hoch werden zu lassen. Und wir werden die kapitalgedeckte Altersversorgung so ausbauen, dass jeder – auch Geringverdiener – künftig ein Vorsorgeniveau haben, das dann über den aktuellen Rentenzahlungen sein wird. Die Kombination aus reduziertem Umlagesystem und ausgebauter privater Altersversorgung wird das Vorsorgeniveau insgesamt verbessern. Dabei werden wir speziell für Geringverdiener die staatlichen Zuschüsse so ausbauen, dass auch sie sich eine private kapitalgedeckte Altersvorsorge leisten können. Diese Geldanlagen werden zugleich einen Investitionsboom in Deutschland auslösen, weil ein Teil der Gelder in deutsche Unternehmen fließen wird.

Die abschlagsfreie Frührente für besonders langjährig Versicherte, gemeinhin „Rente mit 63“ genannt, werden wir abschaffen, weil es eine ungerechte Privilegierung meist gut verdienender, oft topfitter Industriearbeiter und Verwaltungsangestellter ist, die von allen Beitragszahlern und den übrigen Rentnern bezahlt werden muss.

In der Energie- und Klimapolitik hat sich Deutschland verrannt. Der erzwungene Ausstieg aus der Kernenergie war ökonomisch und für den Klimaschutz eine Katastrophe. Die politische Verengung auf einzelne Technologien, die gefördert, und andere, die politisch tabuisiert werden, hat uns in eine teure Sackgasse geführt. Wir setzen in Zukunft konsequent auf den Markt. Es gibt keine technologischen Verbote mehr, CO2-Ausstoß wird über das Zertifikate-System bepreist, das EEG läuft mit entsprechenden Fristen rechtssicher aus, Genehmigungsverfahren für neue Kraftwerke – egal ob erneuerbar oder konventionell – werden radikal beschleunigt, Bürokratie wird abgebaut – den Rest überlassen wir souveränen Konsumenten-Entscheidungen und findigen Ingenieuren. Das Ergebnis wird eine stabilere sowie günstigere Strom- und Energieversorgung sein.

In diesem Sinne werden wir auch das nationale Ziel der Klimaneutralität aufgeben, weil es in einem EU-weiten Zertifikatemarkt keinen Sinn macht, allein höhere Kosten für einen früheren Ausstieg aus der CO2-Emission auf sich zu nehmen, während es dadurch für alle anderen billiger wird und sie dann mehr CO2 ausstoßen können. Dem Klima wird damit nicht geholfen, dafür werden die Wirtschaft und die Bürger massiv geschädigt. Wir werden massiv für einen einheitlichen weltweiten CO2-Zertifikatehandel mit gleichem Ausstiegsdatum werben, damit Klimaschutz endlich wirksam weltweit funktioniert und wir nicht mehr einseitig europäische Unternehmen und unsere Bürger belasten, ohne das Klima maßgeblich zu schützen.

Meine Damen und Herren,
das alles sind harte, aber notwendige Entscheidungen. Wie bei einem harten Training beim Sport sind sie aber die einzige Chance, dass wir am Ende wieder auf dem Siegertreppchen landen. Und das muss unser Ziel sein.

Wenn wir den Mut jetzt nicht aufbringen, dann droht uns mehr als der Verlust von Arbeitsplätzen: der Verlust von sozialem Frieden und Vertrauen in unser Erfolgsmodell – der sozialen Marktwirtschaft. Deshalb sage ich heute, mit aller Klarheit: Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Deutschland braucht jetzt echte Reformen.

Vielen Dank für Ihre Mitarbeit.

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