12 Fakten zum Fachkräftemangel

12 Fakten zum Fachkräftemangel in Deutschland

Der Fachkräftemangel ist in Deutschland längst Realität und wird zur Wachstums- und damit zur Wohlstandsbremse. Betroffen sind die gerade für die wirtschaftliche Entwicklung zentralen MINT-Berufe – also alles rund um Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – ebenso wie der Gesundheits- und Bildungsbereich. Und nicht zu vergessen: das Handwerk.

30. August 2022

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Fakt 1: Der Fachkräftemangel wird größer

Fakt 2: Immer weniger Bundesbürger sind im erwerbsfähigen Alter 

Fakt 3: MINT-Fachkräfte sichern Wettbewerbsfähigkeit

Fakt 4: In Erwerbsbeteiligung der Frauen liegt noch Potenzial

Fakt 5: Bildung ist das A und O gegen Fachkräftemangel

Fakt 6: Eine gute Sprachkompetenz ist die Basis für Teilhabe

Fakt 7: Mit 67 muss im Beruf nicht Schluss sein

Fakt 8: Qualifizierte Zuwanderung hilft dem Arbeitsmarkt

Fakt 9: Das Ansehen der Berufsausbildung stärken

Fakt 10: Kinder früh fördern und Eltern Arbeiten ermöglichen

Fakt 11: Flexibilität macht Jobs attraktiver

Fakt 12: Lehrkräftemangel verschärft Fachkräftemangel

Der Fachkräftemangel ist in Deutschland längst Realität und wird zur Wachstums- und damit zur Wohlstandsbremse. Betroffen sind die gerade für die wirtschaftliche Entwicklung zentralen MINT-Berufe – also alles rund um Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – ebenso wie der Gesundheits- und Bildungsbereich. Und nicht zu vergessen: das Handwerk. Dass die geburtenstarken Jahrgänge der „Babyboomer“ schon bald in Rente gehen, wird das Problem noch verschärfen, denn es rücken deutlich zu wenige Arbeitskräfte nach. Das Problem ist gemeinhin bekannt, doch ein politisches Gesamtkonzept, um es zu lösen, steht aus.

 

Diese Faktensammlung gibt einen Überblick zur Fachkräftelage in Deutschland. Sie benennt außerdem Hebel, welche die Politik nutzen kann, um den Fachkräftebedarf zu decken – angefangen bei der frühkindlichen Bildung über eine generell höhere und mit Blick auf die Wochenstundenzahl umfassendere Erwerbsbeteiligung der Frauen bis hin zur Anpassung des Renteneintrittsalters.

Der Fachkräftemangel wird größer.

Seit Jahren werden in vielen Branchen Fachkräfte gesucht und Firmen können Stellen nicht oder nur schwer besetzen. Das Problem wird sogar noch größer werden. Die Corona-Pandemie, die zu sinkenden Arbeitsvolumina geführt hat, hat den Mangel nur kurz abgemildert. Doch mittlerweile steigt der Bedarf wieder deutlich. Wie groß die Fachkräftelücke ist, berechnet das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (Kofa) regelmäßig mit Daten der Bundesagentur für Arbeit und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Demnach fehlten 2021 rein rechnerisch knapp 350.000 qualifizierte Arbeitskräfte – weniger als im Spitzenjahr 2018, aber schon wieder deutlich mehr als im ersten Corona-Jahr 2020. Und der langfristige Trend kennt ohnehin nur eine Richtung: nach oben.

 

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Immer weniger Bundesbürger sind im erwerbsfähigen Alter.

Nicht nur Fachkräfte, sondern Erwerbsfähige insgesamt werden in Deutschland auf absehbare Zeit zum raren Gut. Das zeigt ein Blick auf die Altersstruktur: In Zukunft rücken immer weniger Menschen auf den Arbeitsmarkt nach als es neue Rentner gibt. Wenn die besonders geburtenstarken Jahrgänge nach und nach in Rente gehen, fehlen beispielsweise allein im Jahr 2031 schon rund 700.000 Erwerbstätige.

Zuletzt hat sich die Lage etwas verbessert. Gründe waren die Flüchtlingsmigration sowie die gestiegenen Geburtenzahlen. Nichtsdestotrotz reichen die Nachrücker bei Weitem nicht, um die Neu-Rentner zu ersetzen. Die deutsche Bevölkerungsstruktur entfernt sich deshalb immer weiter von der klassischen Alterspyramide.

 

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MINT-Fachkräfte sichern Wettbewerbsfähigkeit.

Produkte der deutschen Metall- und Elektroindustrie genießen weltweit einen herausragenden Ruf. Doch ausgerechnet MINT-Fachkräfte fehlen mittlerweile an allen Ecken und Enden: Für Oktober 2021 hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) einen Mangel von knapp 277.00 entsprechenden Fachkräften identifiziert – und die Lücke wird immer größer werden, denn Energiewende und Digitalisierung treiben die Nachfrage nach qualifiziertem Personal.

Mittelfristig mehr MINT-Fachkräfte könnte es geben, wenn deutlich mehr Frauen in diesen Berufen eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren würden. Denn noch immer liegt der Frauenanteil in MINT-Jobs bei lediglich 15,5 Prozent – immerhin 1,7 Prozentpunkte mehr als 2012. Mehr Frauen in gut bezahlten MINT-Berufen: Das würde auch dafür sorgen, dass der rein rechnerische Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen in Deutschland weiter sinkt.

 

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In Erwerbsbeteiligung der Frauen liegt noch Potenzial.

Um den Fachkräftemangel zu bekämpfen, sollten möglichst viele Menschen im erwerbsfähigen Alter möglichst viele Stunden arbeiten können. Zentral ist dabei die Erwerbstätigkeit der Frauen, die sich in den vergangenen Jahren in Deutschland durchaus positiv entwickelt hat. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass 2021 fast 66 Prozent der Frauen von 18 bis 64 ihren Lebensunterhalt durch die eigene Erwerbstätigkeit finanzierten; im Jahr 2000 hatte diese Quote bei lediglich gut 52 Prozent gelegen.

Gleichwohl gibt es noch viel Luft nach oben. So hat eine Studie des ifo Instituts ergeben, dass 17 Prozent der Frauen gern mehr arbeiten würden als sie aktuell können. Doch dafür müssen zuerst die Rahmenbedingungen verbessert werden, vor allem in der Kinderbetreuung. Nur dann können Frauen beispielsweise von Teilzeit auf Vollzeit wechseln, denn nach wie vor sind überwiegend sie es, die sich ansonsten zu Hause um den Nachwuchs kümmern.

 

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Bildung ist das A und O gegen Fachkräftemangel.

Rund 10 Prozent der 18- bis 24-Jährigen hatten im Jahr 2020 in Deutschland nur die Sekundarstufe I durchlaufen und keine weitere allgemeine oder berufliche Bildung erfahren. Diese frühzeitigen Schul- und Ausbildungsabgänger gelten nach offizieller Definition als bildungsarm. Und die Zahl der Ungelernten im Alter von 20 bis 34 hat seit 2014 um 280.000 zugenommen auf 2,16 Millionen.

Deutschland tut in dieser Hinsicht zu wenig für seinewichtigste Ressource: gut ausgebildete Menschen. Denn Menschen ohne weiterführenden Abschluss werden in der Regel nicht zu Fachkräften.

In anderen Ländern läuft es deutlich besser, etwa in Polen und Irland, aber auch in Griechenland. Deutschland sollte Konzepte entwickeln, die deutlich mehr Menschen zu einem qualifizierten Abschluss führen.

 

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Eine gute Sprachkompetenz ist die Basis für Teilhabe.

Kaum zu glauben, dass auch in Deutschland Menschen nicht lesen und schreiben können und so geringe Chancen haben, ihren Lebensunterhalt zufriedenstellend selbst zu finanzieren. Doch der Befund galt 2018 für 6,2 Millionen Personen – 12 Prozent der Erwerbsfähigen; weitere 10,6 Millionen schrieben selbst gebräuchliche Wörter falsch. Die Anteile haben sich im Vergleich zu 2010 immerhin um fast 20 Prozent reduziert. Die Anstrengungen dafür dürfen nicht nachlassen. Denn eine geringe Lese- und Schreibfähigkeit schließt quasi aus, dass Menschen zur Fachkraft werden: Sie sind zwar mehrheitlich erwerbsfähig, jedoch oft nur in Helferjobs mit geringen Einkommen.

Das deutsche Bildungssystem sollte beispielsweise durch verpflichtende Tests Lücken bei allen Kindern rechtzeitig erkennen. Denn eine gute Sprachkompetenz ist die Basis für Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und am Arbeitsmarkt.

 

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Mit 67 muss im Beruf nicht Schluss sein.

Die Zahl der Beschäftigten über 55 Jahre ist in Deutschland von 2013 bis 2020 um 2,5 Millionen auf 7,3 Millionen Menschen gestiegen. Einerseits aufgrund der Demografie, andererseits aber auch, weil immer mehr Ältere arbeiten: 2001 waren nur knapp 38 Prozent der 55- bis 64-Jährigen erwerbstätig, 2020 bereits fast 72 Prozent.

Entsprechend können die „Silver Worker“ helfen, den Fachkräftemangel einzudämmen: Zum einen, indem noch mehr von ihnen möglichst lange im Job bleiben – denn auch wenn Deutschland mittlerweile zur Spitzengruppe gehört, liegt die Beschäftigungsquote der Älteren beispielsweise in Schweden mit fast 78 Prozent deutlich höher. Zum anderen, indem Menschen auch über die Regelaltersgrenze hinaus arbeiten. Langfristig ist eine Kopplung des Renteneintrittsalters an die (steigende) Lebenserwartung auch sinnvoll, um die Finanzierung des Rentensystems zu sichern.

 

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Qualifizierte Zuwanderung hilft dem Arbeitsmarkt.

Ein zentraler Baustein der deutschen Fachkräfte-Strategie ist Zuwanderung. Allein um die Zahl der Erwerbsfähigen konstant zu halten, bräuchte es jährlich netto 400.000 Zuwanderer, schätzen Experten. Innerhalb der EU herrscht Personenfreizügigkeit. Für Menschen aus Nicht-EU-Ländern ist der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt schwieriger. Die Vorgängerregierung hat deshalb bereits vor zwei Jahren das Fachkräfteeinwanderungsgesetz auf den Weg gebracht. Die Ampel-Regierung will die qualifizierte Zuwanderung ebenfalls erleichtern.

Seit 2012 gibt es EU-weit die Blaue Karte – ein befristeter Aufenthaltstitel für akademische Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern. Mittlerweile dürfen sich fast 300.000 Menschen von außerhalb der EU befristet zum Arbeiten in Deutschland aufhalten, 70.000 dank Blue Card. So viele wie nie. Und: Mehr als 57.000 einstige Inhaber einer Blue Card haben jetzt eine unbefristete Niederlassungserlaubnis.

 

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Das Ansehen der Berufsausbildung stärken.

Die duale Berufsausbildung ist ein Exportschlager – andere Länder blicken neidisch auf das erfolgreiche Konzept aus Deutschland, bei dem Betriebe und Berufsschulen die Ausbildung gemeinsam stemmen. Nichtsdestotrotz hat die Berufsausbildung beim Nachwuchs nicht immer einen guten Stand: Immer mehr Jugendliche wollen lieber studieren.

Dabei ist es ein Irrglaube, dass man nur als Akademiker viel verdienen kann. Vielmehr gibt es eine Menge Ausbildungsberufe mit sehr guten Gehältern und vortrefflichen Karriereaussichten, ob im Maschinenbau oder in der Luftfahrttechnik. Dort liegen die Gehälter mitunter sogar über denen von Akademikern. Entsprechend empfehlen Experten, an den Schulen besser über Ausbildungsberufe und Verdienstchancen zu informieren – auch weil viele Studentinnen und Studenten ihr Studium abbrechen, weil es nicht der richtige Weg für sie ist.

 

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Kinder früh fördern und Eltern Arbeiten ermöglichen.

Wenn Kinder optimal betreut werden, ist das wegweisend für ihre Zukunft und das spätere Fachkräfteangebot. Zudem können ihre Eltern dann umfassender arbeiten. Eine Stellschraube für beides ist die Förderinfrastruktur, die sich positiv entwickelt hat: Von 2002 bis 2019 stieg die Ganztagsbetreuung an Grundschulen von knapp über 4 auf mehr als 47 Prozent. Für Drei- bis Sechsjährige legte sie seit 2006 von 22 auf fast 48 Prozent zu.

Allerdings ist das Angebot längst nicht überall ausreichend. Das gilt auch für Kita-Plätze für Kinder unter drei. Hier fehlten 2020 rund 340.000 Plätze. Hinzu kommt, dass es nicht nur um den Betreuungsumfang, sondern auch um die Qualität geht. Bei den Schulen beispielsweise liegt hier einiges im Argen, wie der jüngste INSM-Bildungsmonitor zeigt: Der Staat hat zwar mehr Geld investiert, auch um die Förderinfrastruktur zu verbessern; die Schulqualität hat sich aber nicht verbessert.

 

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Flexibilität macht Jobs attraktiver.

Die Corona-Pandemie hat Deutschland hart getroffen – Menschen und Unternehmen gleichermaßen. Allerdings hat sie auch den Wandel der Arbeitswelt beschleunigt, beispielsweise dahingehend, häufiger oder dauerhaft aus dem Homeoffice zu arbeiten.

Diese Flexibilität wollen sich viele Erwerbstätige bewahren: Laut einer Umfrage des Karrierenetzwerks LinkedIn würden 40 Prozent eine Kündigung erwägen, wenn ihre Firma ihnen flexibles Arbeiten verwehrt und 17 Prozent haben deshalb schon einmal den Job gewechselt.

Allerdings müssen sich Chefs keine Sorgen machen, ihre Mitarbeiter gar nicht mehr zu sehen: Rund die Hälfte präferiert eine Mischung aus Büro- und Homeofficezeit, nur 14 Prozent wollen ausschließlich von zu Hause arbeiten, ergab eine Umfrage der Unternehmensberatung EY Real Estate.

 

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Lehrkräftemangel verschärft Fachkräftemangel.

Die gute Nachricht zuerst: Anders als in vielen anderen Berufen sind Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland im Durchschnitt deutlich jünger geworden. Nur knapp 25 Prozent waren im Schuljahr 2020/2021 über 54 Jahre alt, zehn Jahre zuvor galt das noch für über 32 Prozent.

Dennoch wird es schon bald zu wenig Lehrkräfte geben, zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft. Denn in den 2010er-Jahren sind die Geburtenzahlen stark gestiegen – was sich zeitversetzt auf die Schulen auswirkt. Hinzu kommt die Rückkehr vom acht- zum neunjährigen Gymnasium und der Trend zu höheren Bildungsabschlüssen. Zudem brachten die Flüchtlingsströme viele schulpflichtige Kinder nach Deutschland. Schon in drei Jahren droht eine massive Lehrkräftelücke. Die Politik sollte dringend Wege finden, um mehr Menschen für ein Lehramtsstudium zu begeistern, und den Quereinstieg in den Beruf erleichtern.

 

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Ausgewählte Quellen

 

46 % der Bevölkerung lebten 2021 von eigener Erwerbstätigkeit 

Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 31.3.2022

Fachkräftemangel bei Hochqualifizierten wieder über Vor-Corona-Niveau

Institut der deutschen Wirtschaft, 2021

Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt

Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung, 2020

Lehrkräftebedarf und -angebot: bis 2035 steigende Engpässe zu erwarten

Gutachten im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM),

Institut der deutschen Wirtschaft, 2022

Mein Schlüssel zur Welt – Zahlen und Fakten

Bundesministerium für Bildung und Forschung, abgerufen im Mai 2022

New Work: Die Hälfte der Deutschen arbeitet im Homeoffice

bitkom, März 2022

Überblick Fachkräftemangel

Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung, abgerufen im Mai 2022